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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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mühte sich, die schwere Tür aufzudrücken. Jack legte eine Hand dagegen und half ihr schieben. Sie gelangten in einen schmuddeligen Flur mit einer breiten Treppe in den ersten Stock. Sie stiegen die Stufen hinauf, kamen bis zu einem genauso schmuddeligen Absatz und standen vor einer weiteren Tür. Jack schaute Grace fragend an, während sie mit einer übertrieben dramatischen Geste auf die Tür deutete. Er drückte auf einen Klingelknopf rechts neben den Türangeln, die Tür schwang auf, und sie wurden von einem massigen Rausschmeißer begrüßt. Er war einer der größten, imposantesten Männer, die Jack je in seinem Leben gesehen hatte. Sein Blick wanderte langsam von Kopf bis Fuß über Jack, studierte ihn, dann schaute er zu Grace und nickte.
    »Gehen wir«, sagte sie. »Sie haben die Prüfung bestanden.« Und indem sie die Augenbrauen hochzog: »Knapp.«
    Von diesem Moment an hatte Jack das Gefühl, auf einem fremden Planeten gelandet zu sein.
    Alles in dem Club war elegant, modern und stählern. Die Gäste waren genauso elegant und stählern. Das Etablissement war ein verschlungenes Labyrinth, gefüllt mit Rauch und pulsierender Musik, bevölkert mit außerordentlich schönen Models, männlichen wie weiblichen, die herumlümmelten, saßen, tanzten, tranken. Aufgedonnerte Transvestiten stolzierten umher. Überall waren gestylte Körper zu sehen, und fast jeder Körperteil war entblößt. Die Beleuchtung war spärlich. Alles und jeder schien sich im Schatten zu halten. Grace nahm seine Hand und führte ihn durch das Labyrinth zu einem Hinterzimmer mit Sofas und Sesseln, ein paar Tischen und einer langen Bar. Jack drängte sich an zwei Frauen vorbei, die engumschlungen an einer Stahlsäule lehnten und einander leidenschaftlich küßten. Eine der Frauen hob den Kopf und funkelte ihn wütend an, dann wandte sie sich wieder ihrer Partnerin zu und begann, ihren Hals mit der Zunge zu liebkosen.
    Sie fanden zwei freie Plätze auf einem Sofa in der Nähe der Bar. Fast auf Tuchfühlung neben ihnen saßen zwei Männer, einer mit nacktem Oberkörper, die einander befummelten. Grace beugte sich vor und sagte etwas in Jacks Ohr. Er machte eine Handbewegung, um anzudeuten, daß er kein Wort verstanden hatte.
    »Ich fragte, gefällt es Ihnen?« schrie sie, so laut sie konnte.
    Er zuckte die Achseln und brüllte zurück: »Kommen Sie öfter her?« Und Grace nickte fröhlich.
    Sie blieben zwei Stunden lang, hatten zwei Drinks, beobachteten die Gäste und warteten ab, ob irgendwer erschien, der in irgendeiner Verbindung zu Kid gestanden haben konnte. Dabei hatten sie ständig Kids Beschreibung von Samsonite als Sängerin alias Barkeeperin alias Kartenlegerin im Kopf. Da waren zwei Barkeeperinnen, beide attraktiv, und Grace fragte sie nach Kid. Keine der beiden hatte je von ihm gehört. Eine antwortete: »Nein, aber Bruce Willis war letzte Woche hier.«
    Als Jack schließlich andeutete, daß sie lange genug durchgehalten hätten, führte Grace ihn durch das Gewimmel zurück auf die Straße. Die Gegend war nach der Lärmexplosion, aus der sie gerade aufgetaucht waren, gespenstisch still, und als Jack sich umdrehte und zu dem Gebäude zurücksah, kam es ihm vor, als wäre alles nur ein Traum gewesen, ein Heavy-Metal-Brigadoon.
    »Bereit für mehr?« fragte Grace, und als er nickte, winkten sie auf der Hudson Street ein Taxi heran und fuhren damit ins West Village.
    Sie bat den Taxifahrer, vor einem Spirituosenladen anzuhalten, und als er ihr den Gefallen tat, sprang sie hinaus, verschwand in dem Laden und kam wenig später mit einem Sixpack Bier zurück. Ehe Jack irgend etwas sagen konnte, meinte sie nur: »Warten Sie ab. Sie werden schon sehen.« Dann dirigierte sie den Chauffeur zur 11 th Street, unweit der 10 th Avenue. Dort, zwei Häuser nach der Straßenecke, befand sich ein kleiner Musikclub namens B Sharp. Jack bezahlte zehn Dollar Eintritt, dann stiegen sie in einen kahlen Kellerraum hinunter. Ungefähr zehn kleine Tische standen dort, jeder mit zwei oder drei billigen Klappstühlen, und an den Wänden war bis auf ein paar Schwarzweißfotos von Jazzmusikern keinerlei Dekoration zu sehen. Die linke Seite des Raums wurde von einer langen Bar beherrscht. Aber keine Spur von einem Barkeeper oder von Schnapsflaschen. Dafür stand auf der Bar eine Kollektion von Plastikbechern. An der Stirnseite des Raums befand sich eine kleine Bühne, eigentlich nicht mehr als eine wacklige Speerholzplattform, die vier oder fünf Musikern Platz

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