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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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würde.
    Es war imposant. Drei Schlafzimmer und ein konventionelles Eßzimmer, eine wunderschöne Küche und ein Wohnzimmer, das von einem reichverzierten, handgeschnitzten Sims über einem großen offenen Kamin beherrscht wurde. Aber herausragend an der Wohnung war etwas, das Caroline wie vom Donner gerührt stocksteif verharren ließ. Etwas, das sie völlig überwältigte und dazu brachte, ihren Mann staunend anzuschauen.
    Das Apartment hatte eine spektakuläre Dachterrasse. Von verschiedenen Stellen aus hatte man einen Blick auf den größten Teil von Manhattan. Es war zweifellos eines der atemberaubendsten Panoramen in New York.
    Im achtzehnten Stock.
    Caroline ließ sich von Jack durch die gläsernen Schiebetüren und auf die Terrasse führen. Sie sah, wie er vorsichtig hinaustrat und zum runden gußeisernen Tisch ging, den die derzeitigen Eigentümer zurückgelassen hatten. Er stand mitten auf der Terrasse und war das einzige Möbelstück, das im ganzen Apartment zu sehen war. Sie ging an ihm vorbei bis zur hüfthohen Ziegelmauer, die den gesamten Balkon umschloß. Sie berührte die Mauer, stützte sich mit den Händen darauf und beobachtete Jack, sah, wie sein Gesicht bleich wurde und seine Knie zu zittern begannen. Sie sah, wie er sich auf einen der Stühle, die am Tisch standen, sinken ließ, wobei seine Brust sich hob und senkte, als hätte er Mühe zu atmen. Caroline starrte ihn an und fragte sich, was zum Teufel er sich dabei dachte, dieses Apartment kaufen zu wollen, denn wenn sie etwas über ihren Ehemann wußte, dann, daß er eine panische, an eine Phobie grenzende Angst vor großen Höhen hatte.
    Die trug er mit sich herum, seit seine Mutter ermordet worden war.
    Seitdem hatte er sich, wenn er es irgendwie hatte vermeiden können, niemals bis über den sechzehnten Stock hinausgewagt. Er flog auch nicht gern und saß niemals in einer der oberen Sitzreihen eines Sportstadions oder eines Theaters. Sie wußte, daß es spezielle Dinge gab, die sofort seine schlimmsten Erinnerungen wachriefen, und bestimmte Momente, in denen die Angst ihn überwältigte und sogar völlig lähmte. Deshalb war sie dicht an die Ziegelmauer getreten. Sie war lange genug mit ihm zusammen, um genau zu wissen, daß er selbst sich niemals so nah heranwagen würde. Sie wußte auch, daß er es nicht ertragen konnte, wenn andere Menschen so dicht an einem Abgrund standen. Vor allem Frauen. Vor allem seine Ehefrau.
    Sie verfolgte, wie Jack sich tiefer in den Stuhl sinken ließ. Sie löste ihre Hand von der kühlen Ziegelmauer, machte die sechs Schritte, die sie brauchte, um ihn zu erreichen und seine Hand zu ergreifen. Er sah zu ihr hoch, die Farbe kehrte nach und nach in sein Gesicht zurück, sein Atem beruhigte sich und schien ihm zunehmend leichter zu fallen.
    »Gefällt es dir?« keuchte er, und sie mußte schallend lachen.
    »Ja«, sagte sie. »Ich liebe es. Es ist meine Traumwohnung. Aber hier zu leben könnte ziemlich schwierig werden, wenn du ein-oder zweimal am Tag ohnmächtig wirst.«
    »Nein«, widersprach er, seine Stimme noch immer leise und heiser, sein Atem noch immer mühsam. »Ich will es.«
    »Jack, es ist verrückt. Suchen wir uns lieber unser schönes Traumapartment im dritten Stock eines anderen Gebäudes.«
    Aber er beharrte auf seiner Entscheidung. Es wurde allmählich Zeit für ihn, diese Angst zu überwinden. Zeit, sich von den Geistern, die ihn verfolgten, endlich zu befreien. Sie widersprach, erwiderte, dazu gäbe es andere Wege, aber sie verstummte, als er meinte: »Es ist eine schöne Wohnung für Kinder.«
    Zuerst reagierte sie nicht, ließ das Schweigen zwischen ihnen stehen und langsam zunehmen. Die ganze Zeit musterte sie ihn, kniff die Augen zusammen, und dann nickte sie schließlich, als sie entschied, daß sie darauf etwas erwidern sollte. »Glaubst du«, fragte Caroline, »daß, wenn wir Kinder haben, sie aufwachsen und keine Angst haben, weil sie hier, über dem siebzehnten Stock, groß werden?«
    »Ja«, sagte er, überhaupt nicht überrascht, daß sie seine Beweggründe durchschaut hatte. »Genau das glaube ich.«
    Sie nickte. Dann sagte sie. »Dieser Teppich im Wohnzimmer ist richtig häßlich, nicht wahr?«
    »Abscheulich«, pflichtete er ihr bei.
    »Andererseits sieht er irgendwie gemütlich aus.«
    »Unwahrscheinlich gemütlich.«
    »Gemütlich genug, um zu versuchen, darauf ein Baby zu machen?« fragte sie.
    »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden«, antwortete er.
    Und er ließ sich von

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