Icarus
ihr vom Stuhl hochziehen und ins Wohnzimmer führen, wo sie lustvoll begannen, sich auf dem häßlichen Teppich im Wohnzimmer ihrer Kleider zu entledigen.
Kurz nachdem sie das Apartment bezogen hatten, war Caroline schwanger. Drei Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin wurden sie damit fertig, ein Schlafzimmer in ein Kinderzimmer umzuwandeln – in ein Zimmer für einen Jungen, wie die Tests ergeben hatten –, und füllten es mit Spielzeug und Kleidern und malten sogar Sterne an die Decke über der Wiege. Eine Woche vor dem Termin krümmte Caroline sich vor Schmerzen, und Jack brachte sie schnellstens ins Krankenhaus. Das Baby wurde per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und war tot. Sie trauerten monatelang, überwanden jedoch den Verlust, indem sie einander noch inniger liebten, und dann wurde Caroline wieder schwanger. Diesmal, sie war gerade im zweiten Monat, hatte sie heftige Blutungen, und die Schwangerschaft mußte abgebrochen werden.
Dann, ein paar Tage vor ihrem neunten Hochzeitstag, verkündete sie Jack, daß sie erneut schwanger war. Nun ergriff sie jede mögliche Vorsichtsmaßnahme, blieb dem Restaurantbetrieb fern, nahm nicht wie üblich an der Schwangerschaftsgymnastik teil, trank keinen Tropfen Alkohol und lebte rein vegetarisch. Sie hatten die Eröffnung von Jack’s in London wegen der ersten beiden Schwangerschaften jeweils verschoben, aber sie entschieden, daß sie nicht mehr länger damit warten konnten. Der Arzt wies darauf hin, daß Fliegen weder in ihrem noch im Interesse des Babys wäre, daher ließ sie zum erstenmal Jack den größten Teil der Arbeit und sämtliche Reisen erledigen. Er verbrachte über mehrere Monate hinweg mindestens eine Woche pro Monat in England und sorgte dafür, daß die Vorbereitungen dort zügig voranschritten, während sie sich ausruhte und in New York darauf achtete, daß alles planmäßig weiterlief. Seit ihrem ersten Rendezvous hatten sie fast jede Minute ihres Lebens zusammen verbracht, und Jack stellte – wenn auch mit einemAnflug von schlechtem Gewissen – zu seiner Überraschung fest, daß er das Getrenntsein durchaus genoß. Sie redeten ständig miteinander, und er informierte sie über jedes geschäftliche Detail, aber zum erstenmal wurde ihm klar, daß sie jetzt Geheimnisse voreinander hatten. Er konnte ihr unmöglich alles schildern, was er tat und dachte, und er erkannte, daß das gleiche auch für sie galt. Frau-en flirteten mit ihm und suchten seine Gesellschaft, und er nahm es erfreut zur Kenntnis. Er ging mit seinen männlichen Freunden und Bekannten aus, besuchte Pubs und private Spielclubs in Mayfair und genoß auch das. Er begann seine kleinen Geheimnisse zu pflegen und fragte sich gleichzeitig, in welcher Weise sie wohl sein Leben mit Caroline beeinflussen würden, wenn er nach Hause zurückkehrte. Sie waren harmlos, entschied er, und würden sich überhaupt nicht auswirken.
Aber Carolines Geheimnisse waren nicht so belanglos. Kurz nach der Eröffnung in London kam Jack nach Hause zurück, und Caroline berichtete ihm, daß es abermals geschehen wäre. Sie hatte ihn nicht in Übersee angerufen, hatte es ihm nicht telefonisch mitteilen wollen, nicht während er alles beaufsichtigte, aber sie hatten das Baby verloren, und diesmal gab es neue Komplikationen: der Arzt erklärte ihr, sie könne keine Kinder mehr bekommen.
Sie weinte und sie umarmten einander, und wie schon vorher heilten ihre Wunden nach und nach. Und wie vorher, wie Caroline gesagt hatte, machten die Narben aus ihnen andere Menschen. Nicht bessere, nicht schlechtere, bloß andere.
Eine der größten Veränderungen war, daß sie Kid Demeter in ihr Leben treten ließen.
Es begann am Abend ihres zehnten Hochzeitstages. Sie waren zu Hause, nur sie beide. Jack wollte kochen, und sie wollten einen romantischen Abend verbringen, wollten sich lieben und, wie sie es jetzt häufig taten, versuchen, nicht darüber nachzudenken, daß sie niemals ein eigenes Kind haben würden. Sie hörten gerade Chet Baker In Paris , Jack erinnerte sich später immer daran, daß My Funny Valentine lief, denn es war Carolines Lieblingsstück, und sie stießen gerade mit Champagner an, als das Telefon klingelte. Es war Dom, und als Jack seine Stimme hörte, sagte er: »Wir trinken Champagner und flüstern einander süßen Unsinn ins Ohr. Wann bist du hier?« Aber als Dom schwieg, wußte Jack, daß etwas nicht in Ordnung war, und fragte daher: »Was ist los?«
»Sal«, antwortete Dom.
Und Jack stellte
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