Icarus
als Stunden in engen Hosen und mit lächerlichen schwarzen Mützen auf dem Kopf damit zu verbringen, ein paar arme, verängstigte Füchse meilenweit durch den Morast von Virginia zu hetzen.
Als Caroline Charlottesville als neuen Standort vorschlug, hatte er das für eine seltsame Wahl gehalten. Aber sie erinnerte ihn daran, daß mit solchen seltsamen Entscheidungen schon so manche Vermögen gemacht worden waren. Niemand hatte jemals angenommen, daß Las Vegas eine Restaurantstadt sein könnte, bis Puck und Emeril dort ihre Tore öffneten. Niemand hatte jemals erwartet, daß reiche New Yorker sich auf den Weg in die Stadt zum Union Square machen würden, bis Danny Meyer sich entschloß, dort sein Café zu eröffnen. Und Jacks Marketingleute versicherten ihm, daß es der richtige Schritt wäre. Die Schickeria und die Medienleute von D.C. hatten im Laufe der letzten zehn Jahre die Stadt für sich entdeckt. Sie hatten jetzt ihre Landsitze in dieser Gegend. Sogar Hollywood tauchte dort in Scharen auf. Viele Schauspieler, Produzenten und Regisseure, die bei Jack’s in L. A. und New York dafür sorgten, daß die anderen Gäste sich vor Neugier die Hälse verrenkten, vereinnahmten die Kultur der Landregionen Virginias. Im gleichen Maße, wie die Bevölkerung von Charlottesville immer eleganter wurde, entwickelten sich auch die Läden und örtlichen Theater. Das einzige, was noch hinterherhinkte, war das Essen. Die Nachfrage nach guten Restaurants wurde, wie er wußte, durch zwei Trends geweckt: Kaffee und Brot. Sobald auf hohe Qualität bedachte Cafés in einer Stadt ihre Tore öffnen, gefolgt von hochklassigen Bäckereien, war der Markt für Spitzenköche vorbereitet. Dieser Prozeß ließ sich in Seattle beobachten. Und in Portland. San Francisco war diesem Muster nicht nur gefolgt, dort war es eigentlich sogar entwickelt worden. Und Charlottesville füllte sich mit wunderbar skurrilen Coffeebars und ebenso wunderbaren Kuchen-und Brottempeln. Diese Entwicklung hielt jetzt schon seit einem Jahr an. Die Stadt war eine Goldmine, die nur auf das richtige Restaurant wartete – den richtigen Namen, die richtige Auswahl an Speisen, die richtigen Preise und die richtige Atmosphäre –, und Jack’s paßte ideal dorthin. Hinzu kam, daß Charlottesville außerdem ein riesiges Touristenzentrum war, ganz nah bei Monticello, jenem Zeugnis für das Genie des Menschen – zumindest eines Menschen, Thomas Jefferson.
Die letzte Entscheidung traf schließlich Jack – obgleich er tief in seinem Innern, als er ihren Vorschlag gehört und die Freude in ihren Augen gesehen hatte, wußte, daß es so gut wie beschlossen war –, als er einige der Weingüter in Virginia besuchte und die einheimischen Weine kostete. Noch waren sie geschmacklich nicht das Optimum, aber sie waren dem schon sehr nah. Der Alan Kinne Chardonnay war absolut erstklassig und rundum okay. Der Dashiell Pinot Noir war ein feiner Tropfen und rangierte nicht allzuweit hinter einigen mittelklassigen Weingütern Washingtons und Oregons. Und der Barboursville Cabernet war gleichermaßen köstlich, wie er auch bestens zur Speisekarte von Jack’s paßte. In ein paar Jahren könnte er eine sehr schöne Virginia-Abteilung auf seiner Weinkarte führen. Ihm gefiel diese Idee. Schließlich war es Thomas Jefferson gewesen, der die Neue Welt mit Wein bekannt gemacht hatte. Die örtlichen Rotweine würden bestens mit einigen südlichen Adaptionen klassischer Gerichte des Restaurants korrespondieren.
Also kamen sie überein, es zu versuchen.
»Macht es dir noch Spaß?« hatte sie gefragt.
Er überlegte kurz, verwundert, daß er überhaupt nachdenken mußte, dann nickte er und sagte: »Mit dir macht es noch immer Spaß.«
Sie lächelte, die Antwort erfreute und berührte sie, und sie beugte sich hinüber und küßte ihn auf die Stirn. Dabei ließ sie die Lippen so lange dort ruhen, daß er spüren konnte, wie ihr Atem sein Haar flattern ließ.
Sie fanden einen günstigen Standort mitten in der aus Klinker erbauten Downtown Mall, so nah bei der berühmten Universität, daß sie sich vorkamen, als säßen sie in Jeffersons übermächtigem Schatten, aber noch immer weit genug von ihr entfernt, daß ihnen die schlichten Grill-und Hamburgerläden oder die ein wenig gesetzteren Betriebe mit ihren nachgemachten, an die Kolonialzeit erinnernden Dekorationen und ihrer wilden Mischung angeblich kultivierter Zutaten nicht ins Gehege kamen. Das Personal zu finden war recht einfach, zudem
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