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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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dem Krankenhaus daheim verbracht hatte, aufs neue gemeldet hatte:
    Mein Gott, ich sitze in einem Rollstuhl.
    Er kam mit den Eigenheiten des Stuhls noch nicht allzugut zurecht, war noch immer ein wenig unbeholfen, während seine Finger die Räder packten, sie nach hinten drehten und so den Stuhl vom Tisch wegrollten. Als er versuchte, ihn zu wenden, rollte er ein kurzes Stück nach vorn und drohte gegen die Begrenzungsmauer der Terrasse zu prallen, und Jack spürte, wie sein Magen sich verkrampfte. Für einen kurzen Moment machte sich seine schreckliche Höhenangst bemerkbar, und wie schon so oft zuckte ein Bild durch seinen Kopf: er kam der Mauer zu nahe, kippte irgendwie darüber, stürzte dann, wirbelte durch die Luft, und der Boden kam ihm mit rasender Geschwindigkeit entgegen. Das Bild in seinem Kopf war viel zu real, ganz und gar nicht wie in einem Traum, sondern lebhaft und kristallklar; es verursachte ihm Übelkeit, und er wurde davon benommen. Schnell drehte er den Stuhl, konnte die Visionen abschütteln, während er auf den Terrassenboden starrte und sich bemühte, nicht die hüfthohe Mauer anzusehen. Er machte ein, zwei schnelle Atemzüge und manövrierte den Stuhl so herum, daß er damit durch die Schiebetür ins Wohnzimmer rollen konnte. Dort hörte er eine vertraute Stimme.
    »Was, zum Teufel, willst du da draußen, dir die Eier abfrieren?«
    Dom, in ausgebeulten beigefarbenen Chinos und einem weiten weißen irischen Strickpullover stand im Wohnzimmer und starrte ihn an.
    »Ich hab es ihm schon erklärt, Mr. Dom.« Mattie hielt sich hinter ihm. »Er will nicht auf mich hören.«
    »Ich höre euch beide doch«, murmelte Jack. »Ich versuche nur, nicht zu sehr darauf zu achten.«
    »Komm endlich rein, du altes Arschloch. Ich habe eine Überraschung für dich.«
    Jack rollte den Stuhl vorwärts. Sobald er im Zimmer war, huschte Mattie hinaus, um die Zeitungen einzusammeln, und dann, nach einem schnellen Schritt hinein, schob sie die Terrassentür zu, verriegelte sie und verließ den Raum.
    »Na endlich«, sagte Dom, und Jack konnte sofort den betont beiläufigen Tonfall in seiner Stimme hören. »Wie fühlst du dich?«
    »Besser.«
    »Oh.« Dom zupfte seitlich an seinem Pullover herum, zerrte an einem losen Faden und versuchte ihn abzureißen, schaffte es aber nur, noch weitere Maschen aufzuribbeln. »Was ich meine, ist, wie fühlst du dich.«
    »Was meinst du? Seelisch oder körperlich?«
    »Verdammt, Jack. Du weißt genau, daß ich darin nicht besonders gut bin. Ich versuche nur rauszukriegen, wie es dir, verdammt noch mal, geht.«
    »Ist das die Überraschung? Offenbarst du etwa deine einfühlsame, weibliche Seite?«
    »Nein.« Die Stimme kam vom Eingang am Fahrstuhl. Die Person, die geantwortet hatte, war nicht zu sehen. Jack brauchte einen Moment, um die Stimme zu erkennen, was ihm gelang, kurz bevor der Sprecher das Wohnzimmer betrat. » Ich bin die Überraschung.«
    Jack starrte schweigend den jungen Mann an, der in seiner Wohnung stand. Er war knapp über eins achtzig, aber er wirkte viel größer. Er füllte den Raum, nicht mit seiner Größe, sondern mit seiner Ausstrahlung. Er trug Jeans und ein hellblaues Kapuzensweatshirt, die Kapuze als Kragen im Nacken, und schwarz-weiße Nike-Laufschuhe. Trotz des Sweatshirts erkannte Jack, daß er schlank und absolutin Form war. Die Ärmel waren bis dicht unter die Ellbogen aufgekrempelt, und seine Unterarme waren muskulös. Nervös ballte er die Hand zur Faust und öffnete sie wieder, und jedesmal traten die Venen hervor und spielten die Muskeln unter der Haut. Sein Haar war hellbraun und eine Idee zu lang und zottig. Es sah zerzaust aus, aber auf eine gewollte Art und Weise. Er trug keinerlei Schmuck, noch nicht einmal eine Armbanduhr. Nur um den Hals war eine dünne schwarze Schnur geschlungen, an der ein winziges Mobiltelefon hing. Auf dem Gesicht lag ein nervöser Ausdruck, den er hinter einem fragenden Blick und einem lässigen Grinsen zu verstecken versuchte. Alles in allem sah er ungewöhnlich gut aus, und trotz seiner scharrenden Füße und der zuckenden Hand vermittelte er eine große Selbstsicherheit.
    Als Jack endlich seine Stimme wiederfand, war er überrascht, wie heiser sie klang. Es fühlte sich an, als hätte er tagelang nicht mehr geredet. »Herzlichen Glückwunsch. Du hast es tatsächlich geschafft, daß es mir die Sprache verschlägt.«
    »Er ist gestern in der Fabrik aufgetaucht«, sagte Dom.
    »So, so«, sagte Jack. »Wie geht es dir,

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