Icarus
stünden sie miteinander in einem engen Zusammenhang. »Wir sind mit unseren Schlußfolgerungen bisher mindestens genauso unzufrieden wie die Öffentlichkeit«, erklärte Phil Eagle, Polizeichef von Charlottesville. »Aber unglücklicherweise ist die Spur, die wir bisher verfolgt haben, eiskalt. Während wir einerseits zuversichtlich sind, daß es in diesem Fall irgendwann zu einem Durchbruch kommen wird, und während wir jedem weiteren Hinweis sorgfältig nachgehen, gibt es im Augenblick keine neuen Spuren und nichts, was zu Spekulationen irgendwelcher Art Anlaß geben könnte.«
Die Ereignisse, auf die Chief Eagle sich bezieht, fanden am 1. April während der festlichen Eröffnung von Jack’s Restaurant in Charlottesville statt …
Während er las, gingen Jacks Gedanken auf Wanderschaft. Er brauchte nicht jedes Wort zu lesen. Er kannte den Text auswendig.
Der Artikel zählte, ein weiteres Mal, die Einzelheiten der Eröffnung und des Streits zwischen dem Gast Raymond Kutchler und seinem Begleiter auf. Er berichtete von der Ankunft der Polizei – zu spät, um die Schlägerei zu verhindern – und dann von dem Lärm draußen, wo schließlich Carolines Leiche auf dem Patio gefunden wurde … Von den Polizisten, die nach oben stürmten und Jack fanden … Er enthielt den Hinweis, daß Carolines wertvolle Halskette fehlte und wahrscheinlich gestohlen worden war … Und berichtete weiter vom Mord an den beiden Männern auf dem Dunkin’-Dounuts-Parkplatz …
Der Artikel bestätigte die Identität der Männer vom Eröffnungsdinner als Kutchler und sein Begleiter. Er enthüllte außerdem, daß Kutchler ein Pseudonym war. Der richtige Name des Mannes lautete Robert Haywood. Sein Begleiter und Mit-Mordopfer war Trent Neufield. Beide waren noch sehr jung. Studenten und Angehörige des Footballteams an der Virginia State University.
Jack erinnerte sich daran, wie die Polizei ihn auf der Suche nach einer Verbindung zwischen ihm und Caroline und den beiden Studenten befragt hatte. Sie fanden nichts dergleichen, weder eine direkte noch irgendeine anderweitige. Sie konnten sich nicht erklären, weshalb die beiden falsche Namen benutzt oder weshalb sie eine Einladung erhalten hatten. Und sie konnten auch nicht das letzte Stück dieses Puzzles finden – warum waren Haywood und Neufield ermordet worden? In welcher Verbindung standen sie zu dem Raub und den anschließenden Gewalttaten?
All das war in dem Artikel enthalten. Aber die Zeitung berichtete noch mehr als das. Natürlich gab es in solchen Fällen immer mehr.
Zuerst war Jack selbst verdächtigt worden. Während er noch mit Schmerzmitteln vollgepumpt war – und daher, wie er vermutete, eher in einer Verfassung, in der er die Wahrheit sagen würde –, hatte die Polizei bei ihm nach irgendeinem Motiv gesucht, aus dem er seine Frau hätte ermorden können. Gegen den Willen der Ärzte hatten sie ihn eingehend verhört, hatten ihn unzählige Male seine Aussage in allen Einzelheiten wiederholen lassen. Sie hatten ihn nach seiner Beziehung zu Caroline befragt, hatten wissen wollen, ob er jemals eine außereheliche Affäre gehabt hätte. Er begriff, daß er ihnen verdächtig vorgekommen sein mußte, weil er eine solche Affäre erwähnt hatte, was den Tatsachen entsprach. Sie war kurz gewesen und lag schon einige Jahre zurück, als er sich in London aufgehalten hatte. Die Frau hieß Emma, war Engländerin, und er hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Sogar während ihrer Affäre hatte er sie nur selten getroffen, es war wirklich nur eine Episode gewesen. Kurz und bedeutungslos und schon ewig lange vorbei. Bei der Vorstellung, eine andere Frau zu berühren, während er wußte, daß er Caroline nie mehr im Arm halten würde, mußte er weinen, und die Polizei begriff, daß sie eine Grenze überschritten hatte, daher ließen sie ihn in Ruhe und stellten ihm nie mehr Fragen über seine Ehe.
Als er sich einigermaßen erholt hatte, mußte Jack an die fünfzig Stunden damit verbracht haben, sich mit Polizisten, und irgendwann sogar Privatdetektiven, zu unterhalten und zu versuchen, sich ein klares Bild von den Geschehnissen zu verschaffen. Er engagierte sogar einen ehemaligen FBI-Agenten, der zwei Bestseller über seine Fälle geschrieben hatte. Sie alle hatten die gleichen Theorien. Und keiner konnte diese Theorien mit irgendwelchen Fakten belegen.
Sie alle waren überzeugt, daß zwischen dem Streit zwischen Kutcher und Neufield und den Schüssen im Büro eine Verbindung
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