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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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nicht haben wollte. Es war die einzige Sache von einer gewissen Wichtigkeit, die anzunehmen sie stets abgelehnt hatte. Sie dachte, sie würde sich gut dabei fühlen, es abzulehnen und weiterhin selbst dafür zu zahlen, aber sie fühlte sich nicht gut. Sie war nur traurig.
    Es machte sie auch traurig, daß sie Männer dazu bringen konnte, zu betteln und sich selbst zu erniedrigen, nur um sie berühren zu dürfen. Aber es erregte sie auch, verlieh ihr ein Gefühl der Macht, zumindest für eine Weile. Wenn es dann vorbei war, fühlte sie sich wieder einfach nur leer. Es war genauso wie damals, als sie noch ein Kind war. Als ihr Dad nachts in ihr Zimmer kam, wenn alle anderen schliefen. Sie sah, was sie mit ihm tun konnte. Sie konnte ihn herausfordern, mit ihm spielen, und seine Augen wurden hart. Sie starrten sie nicht an , sie starrten in sie hinein . Sie strich ihm mit der Hand über den Nacken und sagte spaßige Kosenamen, und sie konnte spüren, wie er sich anspannte, aber noch deutlicher spürte sie, wie er ihr erlag. Sie erkannte, daß er sie gern hatte, obgleich er das nur sehr selten aussprach.
    Sie erkannte, daß er sie liebte, sie wirklich und wahrhaftig liebte, obgleich er das niemals sagte. Sie erkannte, sogar schon in diesem jungen Alter, daß er sie zu irgendeinem übermächtigen und unverständlichen Zweck brauchte. Auch darüber äußerte er sich niemals, aber das brauchte er auch nicht. Sie sah es in seinen Augen, wenn sie sich in sie hineinbrannten. Er sagte kein Wort, aber seine Augen bettelten por favor.
    Er berührte sie jedoch niemals. Dazu hatte er keine Gelegenheit. Ihre Mutter sah ebenfalls den Ausdruck in seinen Augen und machte eines Tages eine Bemerkung darüber. Kurz danach war ihr Vater verschwunden. Sie durfte sich mit ihm treffen, aber nur, wenn ein anderer Erwachsener zugegen war. Zuerst kam er einmal in der Woche. Kurz darauf alle zwei oder drei Wochen. Dann noch seltener. Schließlich kam er überhaupt nicht mehr. Ihre Mutter meinte, sie hätte Glück gehabt. Sie alle hätten Glück gehabt. Vor allem, als weniger als ein Jahr nach der Scheidung ein neuer Mann in ihr Leben trat und ihre Mutter heiratete. Ein wunderbarer Mann. Eine wahre Stütze der Gesellschaft. Ein Mann, der nur für seine neue Familie lebte, wie ihre Mutter betonte. So anständig. So gut. Und tugendhaft.
    Und weiß. So strahlend weiß, weshalb ihre liebe madre glaubte, daß er so vollkommen sei. So sauber.
    Aber es überraschte sie gar nicht, als ihr Stiefvater das erste Mal ihr Zimmer betrat, in jener Nacht, als sich alles änderte. Er war zu ihr immer nur freundlich und gütig gewesen. Hatte ihr bei den Hausaufgaben geholfen. Hatte vermittelnd eingegriffen, wenn ihre Mutter sich über sie geärgert hatte. Sie hatte ihn gern und entschied, daß sie ihn wahrscheinlich sogar würde lieben können. Aber sie hatte diesen selben Ausdruck in seinen Augen gesehen.
    Por favor.
    Nur sagte er es auf englisch. Sagte es so, wie ein weißer Mann es sagen würde.
    Sie war nicht unglücklich, als er auf die Knie sank und flüsterte, daß er alles für sie tun würde. Er bettelte und schmeichelte ihr und streichelte ihr Haar so sanft, so zärtlich, und da wußte sie, daß sie nicht würde ausweichen können, daß er nicht zulassen würde, daß sie ihm auswich. Er würde alles für sie tun, sagte er wieder und wieder, wenn sie nur eine winzige Sache für ihn tun würde. Eine winzige, harmlose Sache, die ihn so glücklich machen würde. Also tat sie es, in dieser Nacht und in vielen Nächten danach. Es machte ihn immer glücklich, so wie er es gesagt hatte, und sie empfand niemals Scham. Es erregte sie und machte sie stolz. Bis er wegging und sie völlig ignorierte. Oder noch schlimmer, sie anschrie und beschimpfte. Und manchmal sogar schlug. Das geschah immer tagsüber. In der Nacht kam er dann wieder zu ihr, voller Sorge und zerknirscht, und bettelte darum, daß sie wieder sein kleines Mädchen wäre und ihm gestattete, sie zu lieben. Sie versuchte, ihrer Mutter davon zu erzählen, doch ihre Mutter wollte nichts davon hören. Sie glaubte ihr nicht. Sie weigerte sich zuzuhören, weil es einfach unmöglich war, daß dieser Mann unsauber sein könnte. Daher hörte sie auf, darüber zu reden, und nahm es einfach als unausweichliche Tatsache des Lebens hin. Ihr gefiel das Lustvolle, und mit dem Schmerz kam sie einigermaßen zurecht. Es ging lange so, das Betteln und das Schimpfen und die Schläge und das Lieben. Bis es irgendwann nicht

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