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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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wünschten.

Dreiundzwanzig
    Mitte April, Matties Beerdigung lag schon einige Zeit zurück, verlief der Alltag wieder in halbwegs geordneten Bahnen.
    Jack, Dom und Kid hatten an dem Gottesdienst teilgenommen, und Jack hatte mit Matties Ehemann gesprochen. »Ich weiß, daß dies auf keinen Fall lindern kann, was Sie im Augenblick durchmachen«, sagte er, »aber Sie sollen wissen, daß Matties Lohn für den Rest Ihres Lebens an Sie weitergezahlt wird.«
    »Danke, Sir«, sagte er zu Jack.
    »Wenn ich sonst irgend etwas für Sie tun kann … egal, was …«
    »Danke, Sir«, sagte er abermals, »danke.« Er ergriff Jacks Hand und drückte sie heftig. Jack erkannte den Tonfall in der Stimme des Mannes. Er kannte ihn von seiner eigenen Stimme: Es war der Tonfall unbeschreiblicher und unüberwindlicher Trauer.
    Jack merkte, daß seine Therapie mit Kid, diese rein körperliche Aktivität, ihm eine enorme Hilfe dabei war, diese letzte Tragödie zu ertragen und zu verarbeiten. Er konnte sich stundenlang auf seinen Körper konzentrieren, ohne sich um sein Herz zu kümmern.
    Am 12. April stieg das Thermometer auf 25 Grad. Nachdem er eine Meile in 13 Minuten gelaufen war, verließ Jack, völlig groggy, das Laufband, und Kid sagte:»Heute habe ich eine Überraschung für dich.«
    Kid führte Jack hinaus auf den Balkon, wo er die Hanteln, die sie an diesem Tag benutzen wollten, zurechtgelegt hatte. »Ich denke, im Sommer können wir mit dem gesamten Fitnessraum hierher umziehen. Die Markise schützt die Geräte, wenn es mal regnen sollte, aber du kannst draußen laufen und radfahren. Es ist sicher viel angenehmer, in frischer anstatt in klimatisierter Luft zu schwitzen. Im Augenblick können wir schon mal mit dem Hanteltraining beginnen.«
    Der Tag war wunderschön, und Jack atmete die frische Luft ein und labte sich an dem saftigen Grün, das mittlerweile mit ersten Farbtupfern von Tulpen und der Schar Fußgänger durchsetzt war, die es genossen, spazierenzugehen und zu joggen und sogar auf Bänken ein Schläfchen zu machen.
    Das Training war ein reines Vergnügen. Jack konzentrierte sich fast ausschließlich auf seine Übungen. Kaum von Grübeleien belastet, genoß er die Sonne und dieLeichtigkeit, mit der er seine Übungen ausführte. Er bemerkte kaum Kids Ruhelosigkeit. Er war ständig in Bewegung. Und während Jack seine Oberarmcurls ausführte, stemmte Kid schwere Gewichte. Er achtete nur am Rand auf Jack, was eigentlich selten geschah. Er strengte sich bis zum äußersten an, stemmte auf der Bank vierhundert Pfund, stöhnte und ächzte dabei und ergriff dann eine leichtere Hantel mit zweihundert Pfund, legte sie sich in den Nacken und brachte sie fünfzehnmal in schneller Folge zur Hochstrecke. Aber auch das reichte noch nicht.Während Jack die letzte seiner Übungen absolvierte, sah Kid noch immer aus wie eine zusammengepreßte Sprungfeder, die darauf wartete, sich endlich ausdehnen zu können.
    »Was ist mit dir los?« fragte Jack schließlich. Die Euphorie, in die er sich hineingearbeitet hatte, war teilweise verflogen, er war wieder in die Realität seiner Welt zurückgekehrt und sah jetzt, daß Kid sich offensichtlich mit irgendeinem Problem herumschlug. Was in ihm rumorte, war nicht nur rastlose Energie.
    »Die Dinge spitzen sich zu.«
    »Mit dem Team?«
    »Ein wenig auch das. Vielleicht.«
    »Der Irrtum.«
    »Mein Gott, du vergißt auch gar nichts, oder? Ja, es ist noch verrückter geworden. Je mehr ich in Erfahrung bringe …« Kids Stimme versiegte.
    »Was sonst noch?« fragte Jack.
    »Ein ganzer Haufen Dinge.«
    »Wie was, zum Beispiel?«
    »Das Studium. Die Prüfungen. Ich habe eine ganze Menge Kunden, mit denen ich trainiere. Und … und ich möchte etwas mitbringen, möchte dir etwas zeigen. Ich habe es schon mal erwähnt. Diese Sache mit dem Betriebswirt, meine Idee …«
    »Wann immer du willst.«
    Kid war nervös. Er redete schneller als üblich. Und Jack dachte, daß der Schweiß auf seiner Stirn von etwas anderem herrührte als von seinem schnellen und brutalen Gewichtstraining. »Ich arbeite an einem Plan. Ich werde ihn aufschreiben. Er braucht dir nicht zu gefallen. Ich meine, du kannst ruhig ehrlich sein, aber ich möchte sehr, daß er dir gefällt. Oder daß du ihn zumindest ernst nimmst, okay? Es ist für mich sehr, sehr wichtig, daß du ihn ernst nimmst.«
    »Kid, wann habe ich dich jemals nicht ernst genommen?«
    Kid atmete zischend aus. Jacks Worte schienen ihn zu beruhigen. »Niemals, glaube ich.«

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