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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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genau lag er? Sie dachte, es sei diese Ecke gewesen. Ihr Fuß stieß gegen etwas Festes – da war er. »Einen Mucks, und ein vier Meter großes Raubtier hängt an deiner Kehle«, warnte sie den Eindringling. Sie ging auf die Knie und tastete nach ihren Sachen. Wo war der Bär? Warum hatte er diesen Fremden hier hereingelassen? Ihr fiel auf, dass sie eigentlich nur sehr wenig darüber wusste, warum der Bär sie überhaupt hier haben wollte.
    »Hab keine Angst, Geliebte«, sagte die Stimme. »Das ist unsere Hochzeitsnacht.«
    Oh Gott! »Du bist kein Eisbär«, sagte Cassie. »Dich habe ich nicht geheiratet.« Sie löste die oberste Klappe ihres Rucksacks.
    »Ich bin Bär.«
    »Er ist viel pelziger. Weniger menschlich.« Sie öffnete Schnalle um Schnalle. Plötzlich berührte ihre Hand etwas Hölzernes. Besser als eine Taschenlampe, dachte Cassie. Mit einem wölfischen Grinsen zog sie die Eisaxt aus ihrer Halterung, packte den Stiel und richtete sich auf. »Sehe ich etwa wie ein Idiot aus?«
    »Du siehst wunderschön aus, sogar mit einer Axt in der Hand.«
    Er konnte sie im Dunkeln sehen? Sie umklammerte die Axt fester. Ihr Herz hämmerte, aber es gelang ihr, mit ruhiger Stimme zu sprechen: »Ich stelle nur Chancengleichheit her.«
    »Du kannst mir vertrauen. Ich bin nicht dein Feind. Und ganz tief in deinem Herzen weißt du das auch.«
    »Einen Schritt näher, und ich schwöre, ich schlage zu.«
    Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube nicht, dass du das tust.«
    Cassie holte aus.
    Sie spürte einen Windhauch – er hatte einen Satz rückwärts gemacht.
    »Raus hier!«, forderte sie und schritt, die Axt hoch erhoben und zu allem entschlossen, durch die Dunkelheit auf ihn zu. Dann hörte sie, wie er den Rückzug antrat. Hörte, wie sich die Tür öffnete und wieder schloss. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihr Atem kam stoßweise. Immer noch ließ sie die Axt in ihren schweißnassen Händen nicht sinken. Ihre Hände waren schweißnass. Entsetzt und voller Scham, stellte Cassie fest, dass sie weinte.

Kapitel Sechs
    Geografische Breite: 91°00 ' 00 " N
    Geografische Länge: unbestimmt
    Höhe: 4,60 m
    Als Cassie aufwachte, spürte sie am ganzen Körper Gänsehaut. »Dämliche Heizkörper«, murmelte sie. Wahrscheinlich hatte Owen wieder mal an seinem uralten Computer herumgebastelt, anstatt die Heizung zu reparieren. »Owen!«, rief sie laut. Sie streckte einen Arm aus und schlug gegen die Wand, die sich glatt und kühl anfühlte. Im Nu war sie hellwach. Sie war nicht auf der Station, fiel ihr ein, und Owen konnte sie nicht hören.
    Sie setzte sich auf und tastete nach ihrer Taschenlampe. Die hatte sie auf dem Nachttisch deponiert, nachdem sie ihren unwillkommenen Besucher vertrieben hatte. Ihr Herz hämmerte so stark, dass ihre Hände zitterten, als sie die Lampe anknipste.
    Cassie ließ den Lichtstrahl durch den Raum wandern. Er tanzte über das Eis. Als er über den Schrank glitt, leuchteten geschnitzte Seevögel auf, als wären sie mitten im Flug eingefroren. Cassie hatte den Schrank benutzt, um die Tür zu versperren. Es hatte funktioniert. Sie war allein und sicher inmitten all der kristallenen Schönheit.
    Sie atmete hörbar aus. Ihre Schultern sackten herunter, und endlich schaltete auch ihr Herz ein paar Gänge zurück. Wie hatte sie bloß wieder einschlafen können? Irgendwo außerhalb dieses Zimmers war der Mann, der eine »Hochzeitsnacht« wollte. Irgendwo außerhalb dieses Zimmers war der Eisbär, den sie geheiratet hatte. Irgendwo außerhalb dieses Schlosses war ihre Mutter. Cassie konnte sich nicht entscheiden, welche dieser drei Tatsachen sie am erschreckendsten fand.
    Aber ich werde mich auf keinen Fall hier drin verkriechen, dachte sie. Sie hatte sich noch niemals vor irgendjemandem versteckt und würde damit auch jetzt nicht anfangen.
    Den Rücken gegen den Schrank gelehnt, stemmte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen. Der Schrank knirschte über den eisigen Fußboden. Cassie schnaufte, als er die letzten Zentimeter zur Seite glitt. Sie fragte sich, ob der Mann das gehört hatte. Dann packte sie fest ihre Taschenlampe, wog sie in der Hand wie eine Waffe und trat hinaus auf den Gang.
    Nichts geschah. Sie war allein.
    Still und blau und wunderschön lag der kristallene Flur vor ihr. Als sie ihn mit ihrer Taschenlampe ableuchtete, sah sie verschiedene Türen, Schatten in den golden schimmernden Wänden. Was mochte sich wohl hinter ihnen befinden? Was machte ein – wie war das Wort?

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