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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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seinem Gesicht aus. »Geht es dir gut?«, fragte sie. »Bist du krank?«
    Seine Wange fühlte sich verschwitzt an. Blitzschnell zog sie ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. »Bär, was ist los?«
    »Ich bin zu spät gekommen«, sagte er. Seine Stimme zitterte. »Es war weit. Ich war zu spät.«
    »Was meinst du mit ›zu spät‹?« Wenn sie ihn doch nur sehen könnte! Angestrengt starrte sie zu ihm hinüber, als könnte ihr Blick die Finsternis durchdringen. »Was ist passiert?«
    »Ich hätte auf dem Eis sein sollen, auf Patrouille. Wäre ich in der Nähe gewesen, hätte ich dem Jungen rechtzeitig eine Seele bringen können. Nur eine Stunde früher, und alles wäre in Ordnung gewesen. Aber ich war viele Meilen zu spät.«
    »Zu spät?« Sie versuchte zu verstehen. Hatte er die Geburt verpasst?
    »Das Junge wurde tot geboren«, fuhr er fort. »Keine Seele, kein Leben.«
    Sie konnte die Tränen in seiner Stimme hören. Wollte er, dass sie ihn tröstete? Zögernd umarmte sie ihn. »Ist ja gut«, sagte sie. »Ich bin ja hier.« Und hielt ihn ganz fest.

Kapitel Neun
    Geografische Breite: 91°00 ' 00 " N
    Geografische Länge: unbestimmt
    Höhe: 4,60 m
    In den dunklen Tagen des Winters patrouillierte Bär über das Eis und wartete darauf, dass sein Gespür ihn zu einer Geburt rief. Cassie blieb unterdessen allein im Schloss. Sie wurde immer rastloser. Während seiner Abwesenheit durchstreifte sie den künstlichen Garten aus Eis, der im ewigen Licht der Sterne glänzte. Zur Wintersonnenwende kannte sie jede Hecke, jeden Baum, jede Pflanze und jede Figur in allen Einzelheiten.
    Aus Eis geschnitzte Eulen starrten mit glasigen Augen, in denen sich Tausende von Sternen spiegelten, auf sie herab. Überall herrschte Stille wie in einem Museum. Cassie konnte das Eis unter ihren Tritten laut wie Silvesterknaller knirschen hören. Sie verspürte das dringende Bedürfnis, mit weit ausgebreiteten Armen durch die Gärten zu laufen und alle Bäume links und rechts des Weges zu zerschmettern – aber sie tat es nicht. Stattdessen trugen ihre Füße sie wie von selbst durch das Labyrinth durchscheinender Hecken in die Mitte des Gartens, wo ein Ring aus Rosenbüschen eine einzeln stehende Figur umgab, die neueste.
    Es war Cassie: Mit ihrem langen Haar, den hohen Wangenknochen, den spitzen Ellenbogen stand sie dort in voller Lebensgröße. Das ist das Herz des Gartens , hatte Bär gesagt, nachdem er sie vollendet hatte.
    Cassie betrachtete die Figur. Das eisige Haar war vom Wind zerzaust. Einzelne Strähnen hatten sich selbstständig gemacht und ringelten sich, ineinander verdreht, nach oben. Die Statue war ihr in allem täuschend ähnlich, bis hin zu den kurzen Wimpern und den kurz geschnittenen Fingernägeln. Ihr Zwilling hatte das Gesicht nach oben gewandt, als lachte er zu den Türmen des Schlosses hinauf oder noch höher, dem sternenfunkelnden Himmel entgegen. Was in aller Welt will ich denn noch hier, fragte Cassie sich. Ich sollte auf einem Schneemobil sitzen, nicht auf einem Podest stehen.
    Wer spürte wohl jetzt die Bären auf? Dad? Owen? Scott nahm vermutlich Wetten entgegen, wie viele Eisbärenjunge geboren würden. Jeremy hatte wahrscheinlich inzwischen einen Lagerkoller.
    Und ihre Mutter? Cassie konnte sich nicht vorstellen, was sie so machte. Nur ihr Bild tauchte vor Cassie auf, wie sie es von alten Fotos kannte, aber selbst dieser Erinnerung mangelte es an Details, der Farbe ihrer Augen zum Beispiel.
    Cassie brach einen der perfekten Stängel ab. Die Eisrose fiel in ihre Hand. Abwesend drehte sie sie zwischen den Fingern hin und her. Die Blütenblätter fingen das Licht des Mondes ein, und an ihren Rändern leuchteten winzig kleine Mondregenbogen auf. Sie steckte sich die Rose hinters Ohr.
    Sie hatte nie gewollt, dass das hier ein Dauerzustand wurde. Sie war Polarforscherin, nicht Königin der Eisbären. Was war bloß aus all ihren Plänen geworden? Bedeuteten die ihr denn nichts mehr? Bedeutete ihre Mutter ihr nichts mehr? Oder ihr Vater? Oder Gram? Oder Max und Owen? Wann hatte sie überhaupt aufgehört, an sie zu denken?
    Cassie wandte sich ab und schritt energisch an den Rosenbüschen vorbei. Eis klingelte wie tausend Glöckchen. Schließlich blieb sie vor einem Apfelbaum stehen. Sie griff in seine Äste und kletterte nach oben. Eis knackte unter ihrem Gewicht. Die Rose fiel zu Boden und zersplitterte.
    Von der Spitze des Baumes konnte sie weit hinaus in die Arktis sehen. Ein voller Mond tanzte tief und

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