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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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richtig zu reagieren? Ihrer Erfahrung nach gab es nichts Gefährlicheres als Leute, die immer und überall wussten, was das Richtige war. Andererseits hatte Glinn wirklich immer Recht behalten. Offenbar konnte er alles vorhersehen und in anderen lesen wie in einem offenen Buch. Auch in ihr hatte er sich nicht getäuscht, als es um die berufliche Laufbahn der Sally Britton gegangen war. Gerade in kritischen Augenblicken kommt es darauf an, dass sich alle dem Kapitän unterordnen ... Ob er überhaupt ahnte, was er ihr mit dem – zumindest vorübergehenden – Entzug des Kommandos angetan hatte? Oder war das etwas, was einen Mann wie ihn kalt ließ? Ach, zum Teufel – wieso grübelte sie eigentlich dauernd herum? Sie spürte, wie ein Zittern durch den Tanker lief, als die Pumpen ansprangen und auf beiden Seiten des Schiffsrumpfes riesige Mengen Meerwasser aus den Ballasträumen ins offene Meer pressten. Langsam, aber stetig begann die Rolvaag sich zu heben. Und da wurde es ihr plötzlich klar: Natürlich, auf die Weise sollte der Turm auf gleiche Höhe mit den Klippen und dem Meteoriten gebracht werden. Da war er wieder, der Zwiespalt ihrer Gefühle. Einerseits konnte sie ihre Bewunderung für Glinns genial einfachen Plan nicht verhehlen, andererseits fühlte sie sich gedemütigt, weil er sie im entscheidenden Moment zur Statistin degradiert hatte. Sie stand da wie eine Statue – stumm, das Kinn hochgereckt, mit durchgedrücktem Kreuz. Es war ein seltsames Gefühl, diesmal nur Zuschauerin zu sein, während der altbekannte Prozess ablief: Ballast abzulassen, sich der Hubkraft des Meeres anzuvertrauen, eine Kammer nach der anderen zu öffnen, die Stabilisatoren auszufahren ... Ein gewagtes Manöver im Lee eines Sturms und gefährlich nahe einer Felsküste, wider jegliches Lehrbuchwissen und auch jegliche Erfahrung. Schließlich war die Oberkante des Turms auf gleicher Höhe mit der Wellblechhütte auf den Klippen. Glinn flüsterte dem Operator am Prozessor etwas zu, das Stampfen der Pumpen wurde augenblicklich schwächer. Plötzlich ein lauter Knall, auf den Klippen flogen das Dach und die Wände der Wellblechhütte weg, die aufsteigende dunkelgraue Rauchwolke riss einen Teil der Nebelschwaden mit, und auf einmal lag der Meteorit für alle sichtbar da – glutrot und geheimnisvoll. Auf den Klippen sprangen Dieselmotoren an, das komplizierte Zusammenspiel Dutzender Flaschenzüge und Ankerwinden begann. Unter schrillem Quietschen, in Schwaden von Dieselqualm gehüllt, bewegte sich der Meteorit Zentimeter um Zentimeter auf die Rampe zu, die wie eine Brücke zwischen den Klippen und dem Turm lag. Britton musste sich eingestehen, dass das Schauspiel etwas Erhabenes an sich hatte. Dann trat eine kurze Pause ein, durch die Rolvaag lief ein Vibrieren, die computergesteuerten Pumpen ließen genau so viel Ballast ab, dass das Zugewicht des Meteoriten ausgeglichen und das Schiff wieder in Trimmlage gebracht wurde.
    Auf der Brücke herrschte eine beinahe andächtige Stille. Wieder und wieder dasselbe Spiel: der Meteorit kroch ein Stück weiter auf die Oberkante des Turms zu, machte Halt, die Pumpen sprangen an. Ungefähr zwanzig Minuten lang ging das so, dann war es geschafft: Der rote Koloss ruhte auf der Oberkante des Turms. Britton spürte, dass das Schiff zu hoch im Wasser lag, aber sie hörte die Pumpen bereits arbeiten. Es konnte nur Minuten dauern, bis die Ballasttanks wieder so weit gefüllt waren, dass sie den Kiel tief genug ins Wasser drückten. Glinn flüsterte dem Operator eine Anweisung zu, dann trat er, nicht ohne Britton beruhigend zuzunicken, an die Glasscheibe auf der Landseite der Brücke. Und in dem Augenblick merkte Britton, dass Howell, ihr Erster Offizier, hinter ihr stand. Da sie sich nicht umdrehte, musste er sich nahe an ihr Ohr beugen. »Captain, ich wollte Ihnen sagen, dass wir ... Also, die Offiziere und ich, wir sind nicht einverstanden damit, wie das hier läuft. Wir halten zu Ihnen. Ein Wort von Ihnen genügt ...« Howell brach ab, ohne den Satz zu Ende zu führen, aber Britton hatte die Botschaft auch so verstanden. Sie stand weiter reglos da wie ein Soldat in Habt-Acht-Stellung. »Ich danke Ihnen, Mr. Howell«, sagte sie leise, mit ruhiger Stimme. »Aber belassen wir’s dabei.« Howell stutzte, dann ging er zum Kommandostand zurück. Britton atmete tief durch. Der Moment, in dem es möglich gewesen wäre zu handeln, war ungenutzt verstrichen. Nun hatten sie sich auf Gedeih und Verderb

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