Ice Ship - Tödliche Fracht
Schritts seine Suite und eilte den Flur hinunter in das Großraumbüro. Assistenten und Sekretärinnen saßen müßig vor schwarzen Bildschirmen und toten Telefonen und vertrieben sich die Zeit mit Klatsch und Tratsch, der freilich sofort verstummte, als sie Lloyd in den Raum stürmen sahen. Penfold löste sich lautlos aus dem Halbdunkel, eilte hinter ihm her und zupfte ihn am Ärmel. Lloyd wedelte ihn unwirsch beiseite und setzte seinen Sturmlauf fort – vorbei an den Türen der lahm gelegten Fahrstühle, durch die schalldicht isolierte Tür in sein privates Apartment und weiter bis zu dem Bullauge, von dem aus er die Stahlkonstruktion sehen konnte, die aus dem Zentraltank ragte. Auf dem Deck unter ihm herrschte rege Betriebsamkeit. EES-Personal war bereits mit den letzten Vorbereitungen für das Ablegen beschäftigt. Ladeluken wurden zugeklappt, Schotten geschlossen, Abdichtungen überprüft – aber all das nahm Lloyd nur beiläufig wahr, sein eigentliches Interesse galt der bizarren Turmkonstruktion. Sie war kürzer geworden, erheblich kürzer sogar, und von dunklem Qualm umwallt, der sich mit dem aufsteigenden Nebel zu zerfransten kleinen Wolken formte und meerwärts trieb: ein skurriles Ballett in Zeitlupe. Und während er noch fasziniert nach unten starrte, hörte er schon die nächste Explosion – das heißt eigentlich eher eine Serie von Explosionen, wie stotterndes Maschinengewehrfeuer – und sah, dass der Meteorit abermals ein Stück absackte. Das Beben, das durch den Rumpf der Rolvaag lief, war kaum vergangen, als auch schon ein Spezialtrupp anrückte, kurz den Schutt wegräumte und die nächste Sprengladung anbrachte. Nun war ihm klar, was Glinn mit kontrollierter Zerstörung gemeint hatte. Seine Leute sprengten den Turm tatsächlich Stück für Stück weg. Und so wütend er auch war, musste Lloyd doch zugeben, dass dies die beste, wenn nicht gar die einzige Möglichkeit darstellte, ein derart schweres Objekt in den Tank zu verfrachten. Angesichts der Brillanz der Idee und der Professionalität der Durchführung blieb ihm schier die Luft weg. Glinn und McFarlane hatten ihm zugeredet, nicht zu kommen. Er war trotzdem gekommen. So wie er damals, allen Warnungen zum Trotz, auf den gerade erst freigelegten Meteoriten gesprungen war. Nachträglich lief es ihm eiskalt über den Rücken, wenn er daran dachte, wie es diesem – wie hieß er noch?
– diesem Timmer ergangen war. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, noch einmal herzukommen. Ein impulsiver Entschluss, der ihm im Grunde gar nicht ähnlich sah. Er hatte sich da in etwas hineingesteigert, der Meteorit war ihm zu einem Herzensanliegen geworden. Und wie J.
P. Morgan schon gesagt hatte: »Wenn du etwas zu sehr willst, empfindest du es nicht einmal mehr als Erfolg, wenn du es schließlich bekommst.« Er hatte sich immer an diese Lebensweisheit gehalten und nötigenfalls nicht gezögert, ein Projekt aufzugeben, wie lukrativ es auch sein mochte. Seine Fähigkeit, ein Blatt abzulegen, selbst wenn es eines mit vier Assen war, hatte sich bei all seinen Geschäften ausgezahlt. Nun aber wollte er zum ersten Mal in seinem Leben ein Blatt behalten, obwohl er das Spiel gar nicht machen konnte. Er hatte überreizt, nun konnte er nur noch gewinnen oder verlieren. Er versuchte, sich zur Vernunft zu zwingen. Mein Gott, er war zu seinen Milliarden schließlich nicht durch unbedachte Starrköpfigkeit gekommen. Und es war nie seine Art gewesen, Zweifel an der Tüchtigkeit der Leute zu hegen, die für ihn gute Arbeit leisteten. Wenn er in sich hineinlauschte, musste er sich
eingestehen, dass Glinn ihn womöglich vor einer Dummheit bewahrte, wenn er ihn von der Brücke schickte – aller Demütigung zum Trotz. Aber dann kochte wieder Wut in ihm hoch. Was immer der Kerl sich dabei gedacht hatte, er war arrogant und anmaßend gewesen. Seine kühle Gelassenheit, seine Unfehlbarkeit, sein heimlicher Führungsanspruch – das alles reizte ihn. Glinn hatte ihn vor allen anderen lächerlich gemacht, und das konnte ein Palmer Lloyd nie vergessen, geschweige denn vergeben. Wenn all das hier vorüber war, würde er mit dem Mann abrechnen – finanziell und auch sonst. Aber jetzt kam es erst einmal darauf an, den Meteoriten hier wegzuschaffen. Und Glinn schien der Einzige zu sein, der dazu imstande war.
Rolvaag
3.40 Uhr
Captain Britton, in zehn Minuten liegt der Meteorit in der Halterung im Zentraltank. Dann gehört das Schiff wieder Ihnen, wir können auslaufen.«
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