Ice Ship - Tödliche Fracht
»Tourenzahl Hauptmaschine erhöhen!«, rief Britton, während aus dem Tankraum abermals eine Detonation zu vernehmen war. »Noch fünfzig Zentimeter«, gab Garza durch. »Blitzschlag in sieben Kilometer Entfernung«, meldete der Zweite Offizier. »Sichtweite zweitausenddreihundert Meter.« »Blackout auf dem Deck«, ordnete Glinn an. Nahezu im selben Moment verloschen an Deck sämtliche Scheinwerfer, nur der Lichtschimmer von der Brücke warf noch einen gespenstischen Schein auf den nun fast ganz in der Tiefe des Tankraums verschwundenen Meteoriten. Ein Beben lief durch die Rolvaag, McFarlane hätte nicht sagen können, ob es noch von der Berührung mit den Klippen oder von der letzten Sprengung kam. Je mehr der Nebel sich lichtete, desto deutlicher sah man, wie aufgewühlt der Kanal inzwischen war. Weiße Gischtkronen tanzten auf und ab, bis der nächste Brecher sie verschluckte. Er, starrte wie gebannt auf die nächtliche See hinaus, jeden Moment darauf gefasst, die schlanke Silhouette des Zerstörers auftauchen zu sehen. Garza meldete über Funk: »Fünfzehn Zentimeter.« »Fertig machen zum Schließen der Luken«, ordnete Glinn an. Im Südwesten zuckte ein greller Blitz über den Himmel, beinahe unmittelbar gefolgt von gedämpftem Donnergrollen. »Sichtweite dreitausendsechshundert Meter. Blitzschlag in dreieinhalb Kilometer Entfernung.« Rachels Hand hielt McFarlanes Ellbogen umklammert. »Himmel noch mal, das ist verdammt nahe«, murmelte sie. Und plötzlich tauchte der Zerstörer auf, anfangs nur an den schwach flackernden, wie vom Sturm verwehten Lichtern auf der Steuerbordseite zu erkennen. Als der Nebelschleier sich weiter hob, sah man, dass er keine Fahrt machte. Aber er hatte, als wolle er sie einschüchtern, alle Lichter gesetzt. Wieder eine Explosion, wieder das Vibrieren, und dann gab Garza durch: »Wir haben ihn in der Halterung.« »Schotten schließen«, befahl Britton. »Mr. Howell, alle Haltetaue kappen. Kurs eins-drei-fünf setzen.« Ein Ruck ging durch das Schiff, als die Haltetaue abgesprengt wurden und gegen die Klippen schnellten. »Ruder exakt fünfzehn Grad«, meldete Howell, »Kurs eins-drei-fünf liegt an.«
AImirante Ramirez
3.55 Uhr
Gerade mal gut einen Kilometer entfernt ging Comandante Vallenar unruhig auf seiner Brücke auf und ab. Sie war unbeheizt, wie er es am liebsten hatte, und nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Er starrte durch die Fenster auf das Vorschiff des Zerstörers, das costillo. Der Nebel lichtete sich, war aber noch zu dicht, um etwas erkennen zu können. Ungeduld trieb ihn zur Radaranzeige, der Domäne des Oficial de guardia en la mar, wie die korrekte Bezeichnung des wachhabenden Brückenoffiziers lautete. Er beugte sich über dessen Schulter und suchte den Radarschirm ab. Die Umrisse des Ice Ship verrieten ihm nichts, was er nicht ohnehin schon gewusst hätte, und lösten keines seiner Rätsel. Warum war der Tanker immer noch vor der Felsküste vertäut? Bei dem Sturm, der sich da zusammenbraute, wurde das von Minute zu Minute gefährlicher. Konnte es sein, dass sie versuchten, den Meteoriten im Schutz der Dunkelheit auf das Schiff zu schaffen? Nein, ausgeschlossen. Er hatte ja, bevor der Nebel sich zugezogen hatte, selbst gesehen, dass sie im Zentrum der Insel noch alle Hände voll zu tun hatten. Sogar jetzt konnte er dort die Maschinen noch rattern hören. Und der undisziplinierte Funkverkehr war noch genauso lebhaft wie vorher. Dennoch, es wäre dumm gewesen, den Tanker bei diesem Wetter so dicht vor den Klippen festzumachen. Und dieser Glinn war mit Sicherheit kein Dummkopf. Was ging dort drüben also vor? Irgendwann hatte er die knatternden Rotorblätter eines Helikopters vernommen, der offenbar irgendwo in der Nähe gelandet und wenig später wieder abgeflogen war. Und er hatte auch Explosionen gehört, wesentlich schwächer als die von den Abbauarbeiten auf der Insel und vermutlich irgendwo in der Nähe der Klippen. Oder vielleicht sogar von dem Schiff? Hatte es womöglich an Bord einen Unfall oder eine technische Störung gegeben? Oder war es Timmer gelungen, sich eine Waffe zu beschaffen und einen Fluchtversuch zu wagen? Er löste den Blick von dem grünen Radarschirm des veralteten Geräts und starrte angestrengt in die Dunkelheit. Vorhin war ihm gewesen, als habe er hinter den halb verwehten Nebelfetzen Lichter wahrgenommen. Inzwischen hatte der Nebel sich weiter gelichtet, es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Sichtkontakt hatten.
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