Ice Ship - Tödliche Fracht
mehr sie sich der Küste näherten, desto tückischer wurden die Strömungen. Hundertfünfzig Seemeilen ... wenn es South Georgia gelang, ihnen rechtzeitig Hilfe zu schicken, bis sechs Uhr morgens ... Nun, im Grunde hing alles davon ab, wie sich der verdammte Meteorit im Zentraltank verhielt. Britton spielte mit dem Gedanken, Glinn zu fragen, wie Garzas Männer da unten vorankämen, doch dann gestand sie sich ein, dass sie es lieber gar nicht wissen wollte. Glinn behielt sein Wissen für sich, genau wie sie. Was ihm wohl in diesen endlos langen Minuten durch den Kopf gehen mochte? An den Rollbewegungen konnte sie erkennen, dass zumindest momentan keine unmittelbare Gefahr für das Schiff bestand. Für die Landratten musste dieser Höllenritt dagegen der blanke Horror sein. Wieder rollte das Schiff beängstigend. Nur glaubte sie diesmal zu spüren, dass eine Art Ziehen durch das Schiff ging, als sei auf dem Scheitelpunkt der Welle etwas im Rumpf der Rolvaag bis zum Zerreißen überdehnt worden. Genau in diesem Moment presste sich Glinn das Funkgerät ans Ohr und lauschte angestrengt. Er bemerkte ihren fragenden Blick. »Es ist Garza«, rief er ihr zu, »aber ich kann ihn bei dem Sturm nicht verstehen.« Britton machte Howell ein Zeichen. »Stellen Sie ihn durch. Maximale Lautstärke.« Urplötzlich dröhnte Garzas Stimme über die Brücke. »Eli? Eli!« Der Lautsprecher ließ seine unverhohlene Panik wie schiere Verzweiflung klingen. Im Hintergrund hörte Britton ein schrilles metallisches Geräusch. »Ja, ich bin dran.« »Hier bricht ein Vernetzungspunkt nach dem anderen weg.« »Macht weiter! Haltet durch!« Britton wunderte sich, wie ruhig und beherrscht Glinns Stimme klang. Das Schiff krängte, die Schräglage kam Britton schlimmer vor als je zuvor. »Eli, das Geflecht löst sich schneller auf, als wir mit dem Schweißen ...« Die Rolvaag holte so stark über, dass Garzas Stimme im Geschrill des Metalls unterging. »Manuel«, redete Glinn beruhigend auf ihn ein, »Rochefort wusste schon, was er tat, als er dieses Netz entworfen hat. Es ist viel stärker, als Sie meinen. Nehmen Sie sich eine Schwachstelle nach der anderen vor.« Der Veitstanz des Schiffes ging weiter. »Eli, der Meteorit... er verschiebt sich! Wir schaffen es einfach nicht, ihn ...« Das Funkgerät wurde stumm. Das Schiff verharrte den Bruchteil einer Sekunde in völliger Ruhe, ein Zittern lief durch den Rumpf, dann richtete es sich wieder auf. Den kleinen Ruck, der durch die Rolvaag ging, hatte wahrscheinlich nur Britton bemerkt. Es war wie ein kurzes Verharren, wie ein instinktives Zögern im Augenblick höchster Bedrohung. Glinn starrte wie gebannt auf den Lautsprecher. Ein hässliches Knacken, dann war Garza wieder dran. »Eli? Sind Sie da? Ich glaube, der Meteorit hatte sich seitlich verschoben, aber jetzt liegt er wieder fest in seiner Halterung.« Die Andeutung eines Lächelns huschte um Glinns Lippen. »Sehen Sie, Manuel, alles halb so schlimm. Geraten Sie nicht gleich in Panik. Konzentrieren Sie sich nur auf die wichtigsten Verknüpfungspunkte, vergessen Sie die anderen einfach. Sichern Sie die Schwachstellen. Und denken Sie dran: das Netz ist auf doppelte Sicherheit ausgelegt.« »Ja, Sir.« Das Schiff schlingerte abermals stark – eine unsäglich langsame, von schrillem Wimmern begleitete Bewegung. Und auch diesmal spürte Britton dieses kurze Verharren auf dem Scheitelpunkt der Welle. Aber sie spürte auch, dass sich die Rollbewegungen und die Geräusche des Schiffs verändert hatten: auf eine Weise, die ihr Angst machte. Sie schielte zu Glinn hinüber, dann zu Lloyd. Sie sah ihnen an, dass sie beide nichts gemerkt hatten. Sie aber war mit ihrem Schiff vertraut, jede Veränderung fiel ihr sofort auf. Wenn der Meteorit sich verlagerte, und sei es nur um wenige Millimeter, spielte das ganze Schiff verrückt. Diesmal hatte es zum Beispiel auf dem Kamm der Welle zu einer Drehbewegung, einer Art Pirouette angesetzt. Oder bildete sie sich das nur ein, weil die Nerven ihr einen Streich spielten? Sie starrte nach vorn und verfolgte im Licht der Schiffsscheinwerfer, wie die Rolvaag eine gewaltige Welle erklomm, sich heftig wand, als wolle sie seine schwere Last abschütteln, und dann jäh in das Wellental stürzte, wo eine schwarze Flutwelle das Deck überspülte, bis das Wasser durch die Speigatts wieder abgeflossen war. Und als die Rolvaag sich langsam hochstemmte, fing der unheimliche Felsbrocken im Zentraltank sofort wieder mit seinem
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