Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Karte im Kopierer vergessen. Dann können die Kollegen wieder den ganzen Tag wie früher kopieren, ohne ständig eine Karte ein- und auszuführen (was sie weidlich nutzen!). Und wenn der vergessliche Unglückswurm am Abend sein Missgeschick bemerkt, haben sich 795 Kopien auf seiner Karte gesammelt. Nun steht er vor der Frage: Wer warâs?
Ein Abteilungsleiter hatte einen Ingenieur angewiesen, die Nutzer seiner Karte ausfindig zu machen â er wollte diese vielen Kopien nicht auf der eigenen Kostenstelle wissen. Die Recherche des gutbezahlten Ingenieurs, der alle Kollegen auf dem Flur einzeln ins Verhör nahm (»Gibt es Zeugen, die bestätigen können, dass du nicht im Kopierraum warst?«), hat schätzungsweise das 30-Fache der kompletten Kopien gekostet.
Hinzu kommt: Das Kartensystem ist wenig ausgereift; die Kopierer streiken alle sieben bis zehn Tage. Bis der Servicedienst kommt, kann schon mal ein halber Tag vergehen. Was tun in der Zwischenzeit? Früher ging man einfach auf einen anderen Flur zum Kopieren. Geht nicht mehr â die Karten sind kopierergebunden.
Wer in der Nachbarabteilung kopieren will, muss wie ein HausÂtürvertreter die Büros der Kollegen abklappen, bis ihm jemand seine Geschichte abkauft und die eigene Karte ausleiht. Und dann geht wieder das Rechnen los! In mehreren HausmitÂteilungen wurden die Mitarbeiter schon angemahnt, dass der Kartenverleih ohne Umlegung auf die richtige Kostenstelle streng untersagt sei.
Früher hatten die Mitarbeiter das Kopieren schnell erledigt. Heute erledigt das Kopieren schnell die Mitarbeiter!
Ein anderes Beispiel: Ein mittelständisches Unternehmen schloss mit einer kleinen Tankstellen-Kette einen Exklusiv-Vertrag. Dort â nur dort! â bekamen die Dienstwagen der Firma einen Tankrabatt von zwei Cent pro Liter. Dort â und nur dort! â durften die Mitarbeiter noch tanken. Aber die Tankstellen dieser Kette waren so selten wie vierblättrige Kleeblätter. Die Mitarbeiter mussten erhebliche Umwege fahren, um ihre Zapfsäulen zu erreichen.
Der stellvertretende Buchhaltungsleiter dieser Firma, der vergeblich gegen die MaÃnahme protestiert hatte, schreibt mir: »Im Durchschnitt fahre ich einen Umweg von zweimal 17 Kilometern, um diese Tankstelle zu erreichen. Dabei lägen die Zapfsäulen der groÃen Anbieter direkt auf dem Weg.«
Und weil er Buchhalter ist, hat er nachgerechnet: »Davon ausgehend, dass jeder Kilometer die Firma 35 Cent kostet, entstehen Zusatzkosten von 11,90 Euro.« Unterm Strich kommt er zu dem Ergebnis: »Ich müsste pro Füllung exakt 596 Liter tanken, damit die Firma insgesamt 0,02 Euro spart. In meinen Tank passen aber nur 50 Liter.«
Der Sparwahn kann sogar in den Ruin führen. Das hat mir der Oberarzt einer kleinen Privatklinik beschrieben. Er genoss einen vorzüglichen Ruf als Kongressredner. Jahrelang hat er dem chronisch unterbelegten Klinikum neue Privatpatienten organisiert, indem er Vorträge vor anderen Ãrzten hielt, die sich seiner später erinnerten und Privatpatienten überwiesen.
Doch dann untersagte ihm der Klinikleiter die Vorträge: »Die Spesen werden uns einfach zu teuer.« Es ging um maximal 100 bis 200 Euro pro Auftritt. Ein knappes Jahr später war die Klinik pleite. Am Ende hatten genau jene Patienten gefehlt, die er immer wieder durch seine Referate gewonnen hatte. Die Irrenhaus-Direktion hatte mit der einen Hand eine winzige Summe festgehalten â und mit der anderen Hand das Grab der Firma geschaufelt.
§ 6 Irrenhaus-Ordnung: Sparen ohne Hirn ist wie Laufen ohne Beine: Die Firma fällt dabei auf die Nase.
Irrenhaus-Sprechstunde 3
Betr.: Warum unser Drucker das Orakel
von Delphi ist
Eine bescheuerte Sparidee wurde uns letztes Jahr aufgedrückt: Alle Abteilungen bekamen einen »Entwurfs-Drucker«. Diese Billiggeräte wurden neben den regulären Druckern platziert, und wir waren aufgefordert, sie mit bereits einseitig bedrucktem Papier zu füllen, das sonst im Papierkorb gelandet wäre â fürs Ausdrucken von Entwürfen.
Das beidseitige Bedrucken von Papier sollte Geld sparen. AuÃerdem waren die »Entwurfs-Drucker« auf einen Spardruck eingestellt, der offenbar von einem Optiker gesponsert war, da man die dünne Schrift nur mit Brille entziffern konnte. Die Aktion wurde uns als »Dienst an der Umwelt«
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