Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
flehen sie die Unternehmensleitung an, sie möge den Auftrag verlängern.«
Und plötzlich taucht der während des Projektes grundsätzlich verschollene Partner wieder auf und sagt cool zum Irrenhaus-Direktor: »Nun haben Sie schon eine beträchtliche Summe in diese sinnvolle Reform investiert, nun sollten Sie es an diesem wichtigen Punkt nicht scheitern lassen.«
Die Berater handeln frei nach dem Motto von Mark Twain: »Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.« Die Abzocke kennt weder Skrupel noch Gesetze. Der Insider Klaus Feumer hat mir drei Praktiken verraten, die man eher bei Räuberbanden als bei Beratungsunternehmen vermuten würde, davon wird noch die Rede sein.
§ 18 Irrenhaus-Ordnung: Man kann Firmen überfallen. Oder sie beraten. Bei den Ãberfällen ist das Risiko gröÃer â bei der Beratung die Beute!
Irrenhaus-Sprechstunde 9
Betr.: Wie unser Chef als Rentner noch Millionär wurde
Mein Chef wurde auf seine alten Tage milde. Früher hatte er die Preise der Zulieferer gedrückt, dass es krachte. Jeden kleinen Fehler blies er zum Drama auf, lieà die Geschäftsführer antanzen und machte sie zur Schnecke.
Doch nun legte er sich regelrecht für einen Zulieferer ins Zeug: Er genehmigte Preise, die er früher in der Luft zerpflückt hätte. Er besuchte den Zulieferer immer wieder, obwohl er früher nur Audienzen in seinem Büro gegeben hatte. Und er schlug einen Ton an, der nicht mehr nach Kasernenhof, sondern nach auserwählter Höflichkeit klang.
Das galt übrigens auch für seinen Umgang mit uns Mitarbeitern. Jahrelang hatte er Druck gemacht und war alle paar Tage aus der Haut gefahren. Doch nun lernte er zwei neue Vokabeln, »bitte« und »danke«, erkundigte sich nach unserem Befinden und wünschte sogar »einen schönen Feierabend« (obgleich er einem früher, wenn man gerade am Gehen war, gerne noch neue Arbeiten aufs Auge gedrückt hatte!).
Was war los mit dem Alten? Packte ihn die Sentimentalität, weil er demnächst in Rente ging? Oder hatte sich dort, wo bislang ein weiÃer Fleck war, doch noch so etwas wie Charakter gebildet?
Am Tag vor seinem Abschied in die Rente gab er bekannt: »Ich werde eine Herausforderung als freier Berater annehmen.« Er wurde für jenen Zulieferer tätig, den er in den letzten Monaten verhätschelt hatte. Uns versprach er, für reibungslose Abläufe und faire Konditionen zu sorgen, als Bindeglied zwischen beiden Firmen.
Seine neue Firma konnte nun von der alten Firma jene überteuerten Preise fordern, die er in seinen letzten Arbeitsmonaten dort gebilligt hatte. Doch unsere Geschäftsführung sah ihren ehemaligen Abteilungsleiter nicht als einen Judas â sie sah ihn als Garanten für eine funktionierende Zusammenarbeit. »Es wäre töricht, andere Zulieferer zu beauftragen. Niemand kennt unsere Interessen so gut wie er«, tönte der Prokurist.
Und so gingen immer mehr Aufträge an diesen Zulieferer. Die anderen Firmen, die deutlich billiger gewesen wären, wurden nach und nach ausgebootet. Unser Ex-Chef trieb die Umsätze des Zulieferers nach oben. Sicher hat er eine Millionenprovision kassiert. Die Zeche wurde von unserer Firma bezahlt â als Strafe für ihre Dummheit.
Marco Koch, GroÃ- und AuÃenhandelskaufmann
Betr.: Wie eine Unternehmensberatung Second-Hand-Ware verkaufte
Es war wie ein Fluch: Nun hatte ich meine alte Firma verlassen, weil ich das dumme Geschwätz von Unternehmensberatern nicht mehr hören konnte. Alle Umsatzprobleme der Firma hatten sie auf mich und meine Vertriebskollegen abgewälzt. Mit neuen Provisionssystemen, mit Schulungen und mit frischen Teilzeit-Mitarbeitern in den Regionen wollten sie den Umsatzmotor wieder auf Hochtouren treiben. Dabei hatten sie schlicht übersehen, dass der Vertrieb nicht unter dem mangelnden Engagement seiner Mitarbeiter litt, sondern unter den günstigeren Preisen der Konkurrenz. Vielleicht wäre diese Analyse auch zu banal gewesen, um fette Rechnungen dafür zu stellen.
Mit dem Versprechen, der Umsatz lieÃe sich um 15 Prozent steigern, hatten sie ihr neues Vertriebskonzept vorgelegt. In Âeiner bunten Präsentation, deren Ãberschriften so dick wie Schlagzeilen aus der BILD -Zeitung waren, wollten sie uns die Vorteile des neuen Provisionssystems schmackhaft machen. Ich war
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