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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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diesem Spiel keine Bälle auf sein Tor bekam, schlugen sie ihn als Entlassungskandidaten vor: »Der steht bloß rum!« Dass der Entwicklungsingenieur schon beim nächsten Auftrag wieder der Matchwinner sein könnte – sie wollten es nicht begreifen.
    Wenn ahnungslose Manager sich von ahnungslosen Unternehmensberatern die Arbeit abnehmen lassen, ergibt minus mal minus leider nicht plus, sondern multiplizierte Inkompetenz.
    Das ganze Modell ist fragwürdig: Ein Manager wird dafür bezahlt, dass er eine Firma lenkt und Ziele erreicht. Sein Auftrag ist der Erfolg des Unternehmens. Mit welchem Recht wird für dieselbe Tätigkeit zusätzlich eine Unternehmensberatung angeheuert und mit Riesensummen vergütet?
    Wenn ich Manager mit solchen Fragen behellige, höre ich oft: »Unser Unternehmen ist in den letzten Jahren zu komplex geworden. Da kann man als Einzelner nicht mehr alles überblicken.« Auf Deutsch: Der Bäcker gibt zu, dass er sich in seiner eigenen Backstube verirrt.
    In diesem Fall hake ich nach: »Warum lassen Sie sich diese Abläufe nicht von Ihren Mitarbeitern erklären? Die erleben doch jeden Tag, was gut und was schlecht läuft. Und sie stehen doch ohnehin auf der Gehaltsliste. Wäre es da nicht logisch, erst mal ihre Expertise zu nutzen?«
    Dann verzieht der Manager sein Gesicht, als hätte ich ihm seinen Golfschläger verbogen: »Wo denken Sie hin! Die Mitarbeiter sehen nicht das Unternehmen, sie sehen nur ihre eigenen Inter­essen. Wer von ihnen kennt die Strategien? Wer denkt über die Grenzen seiner eigenen Abteilung hinaus? Niemand!«
    Die Mitarbeiter gelten als Dumpfbacken, deren Horizont nicht weiter reicht als bis zur nächsten Straßenecke. Köpfe haben sie nur, damit man darüber hinweg entscheiden und sie im Krisenfall von der Gehaltsliste streichen kann. Dieses Denken spricht Bände über die Manager selbst: »Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns«, schrieb die Autorin Marie von Ebner-Eschenbach.
    Als großer Könner, als Meister aller Klassen gilt den Managern dagegen der Unternehmensberater. Weil er seinen Fuß schon mal in ein Weltunternehmen gesetzt hat, wird ihm weltunternehmerische Kompetenz zugeschrieben, als wäre sie an seinen Schuhsohlen haften geblieben.
    Ich kenne Manager, die machen auf ihrem Schreibtisch einen Handstand, wenn es ihnen ein Berater befiehlt. Der Unternehmensberater ist für sie ein allwissendes Kindermädchen, das ihr in Unordnung geratenes Unternehmen wie ein Kinderzimmer aufräumt und allen (scheinbar) überflüssigen Kram rasch und geräuschlos entsorgt. Vor allem Mitarbeiter.
    Warum wird an einen Manager nicht derselbe Maßstab wie an einen Bäcker angelegt? Warum darf er kläglich versagen und dennoch im Amt bleiben? Es gibt einen wichtigen Unterschied: Der Bäcker ist an seinen Ergebnissen sofort zu messen. Begeht er in der Nacht einen Fehler, sieht am Morgen jeder: Die Brote sind verbrannt.
    Dagegen schiebt ein Manager Strategie-Brote in den Ofen, von denen er mit Kalkül behauptet, sie seien erst in einigen Jahren fertig. Jede Dummheit, die er in der Zwischenzeit begeht, kann er als Teil eines hochgescheiten Plans verkaufen. Wenn das Unternehmen mal ein, zwei Jahre herbe Verluste schreibt, beteuert er: »Keine Sorge, das sind Investitionen, die sich in den nächsten Jahren vielfach ausbezahlen.«
    Erst wenn der Rauch in seiner Backstube allzu dicht wird, wenn sich die Talfahrt der Geschäftszahlen auf das Tempo einer Lawine steigert, erst dann ruft er sich Unternehmensberater herbei. Er will retten lassen, was oft nicht mehr zu retten ist.
    Nicht mit multiplizierter Inkompetenz!
    Â§ 17 Irrenhaus-Ordnung: Einige Firmen sind noch zu retten. Andere holen sich Unternehmensberater.
    Das Millionending
    Â»Beratungsunternehmen sind wie Taschendiebe: Sie ziehen dir Geld aus der Hose, und du merkst es nicht.« Der Mann, der das sagt, kennt das Geschäft: Sieben Jahre lang hat Klaus Feumer (37) als Unternehmensberater gearbeitet, für zwei große Beratungsfirmen und eine kleine, zuletzt als Projektleiter.
    Viele Kunden beschreibt er als Irrenhäuser: »Da haben Manager gedacht: ›Jetzt wird all der Mist, den wir in Jahren angerichtet haben, in Windeseile abgetragen.‹« Ihr Vertrauen in die Berater sei von derselben Eigenschaft geprägt wie ihr Wirken als Manager: von Blindheit. Feumer

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