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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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ausdrücklich hin, wenn er den Berater vorschiebt, um unangenehme Neuerungen zu rechtfertigen. Es ist das Strohmann-Prinzip.
    Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Die Berater erzeugen einen Erfolg. Dann adoptiert der Direktor die Entscheidung sofort als sein eigenes Baby, schaukelt sie stolz im Arm und betont immer wieder, wie viel Mut und Innovationsgeist ihn das Unterfangen gekostet habe.
    Doch meist tritt die zweite Möglichkeit ein: Die Firma prallt mit voller Wucht gegen ein Sackgassen-Schild. In diesem Fall beginnt eine verbale Hetzjagd auf die Berater, bei der sich der Irrenhaus-Direktor an die Spitze setzt. Jeden, der auf die Berater schimpft, umarmt er als seinen Bruder. Er tut so, als sei er hinters Licht geführt worden. Reumütig erklärt er, er hätte doch auf seine Intuition hören sollen, nicht auf die Berater (»Eigentlich war ich immer dagegen!«).
    Wann immer er von der Entscheidung spricht, bezeichnet er sie als »schweren Fehler der Berater«. Er spekuliert darauf, dass ihn das hohe Geschäftsleitungs-Gericht nicht zur Kündigungs-Höchststrafe verurteilt, schließlich war er selbst Opfer einer Täuschung – und verdient mildernde Umstände.
    Doch nicht nur als Strohmann und als Sündenbock, sondern auch als Alibi für Innovationen lassen sich Unternehmensberater missbrauchen. Das Unternehmen ist erstarrt, ein schlafendes Management hat alle Entwicklungen der letzten Jahrzehnte verpasst, die Rufe nach Reformen schwellen zu Sprechchören an, und die Aktionäre werden ungeduldig.
    Was tut der Irrenhaus-Direktor, um für neue Farben im verblassten Gemälde seiner Firma zu sorgen? Er pfeift Unternehmensberater herbei, die durch alle Abteilungen stürmen und mit ihren Veränderungs-Pinseln willkürlich im Firmengemälde her­umklecksen. Ganz egal, was sie verändern, ob sie das Organigramm umkrempeln, Outdoor-Schulungen anschieben oder ein »Kundenbindungsprogramm« ins Leben rufen: Kein Mensch weiß, ob die Maßnahmen etwas bringen (das wird erst in Jahren sichtbar) – aber der Irrenhaus-Direktor meint: Diese Veränderungen passieren so schnell und leuchten in so grellen Farben, dass der Markt sie einfach sehen muss.
    Dieses Signal befriedigt die Kritiker: Wer sich beraten lässt, ist veränderungsbereit. Reformauftrag erfüllt! Entweder schlüpft der Direktor nun wieder in seine alten Stiefel und macht weiter wie bisher (weil ihm niemand mehr so genau auf die Finger schaut). Oder er stellt fest, dass die neuen Farben, die radikalen Veränderungen, das alte Geschäftsmodell unheilbar verpfuscht haben, ohne ein neues zu ergeben.
    Dann könnte ihn nur noch ein Wunder retten. Oder eine neue Beratung.
    Â§ 19 Irrenhaus-Ordnung: Manager haben mit den Entlassungsempfehlungen ihrer Berater so wenig zu tun wie ein Drehbuchautor mit den Dialogen seiner Schauspieler.
    Berätst du noch – oder betrügst du schon?
    Etliche Methoden, die mir der Ex-Berater Klaus Feumer beschrieben hat, gäben den Stoff für einen Wirtschaftskrimi her. Hier drei Beispiele für die Abzock-Maschen einiger Unternehmensberatungen:
    Der Partner-Schwindel
    Die Partner, sprich Inhaber der Firmen, schöpfen nicht nur den Gewinn durch ihre Berater ab, sondern stellen so oft wie möglich eigene Tagessätze in Rechnung. Das ist gar nicht so einfach: Für gewöhnlich tauchen sie nur zum Start und zum Abschluss eines Projektes beim Kunden auf. Den Rest der Zeit verschanzen sie sich in ihrem Büro.
    Was sie dort tun, weiß niemand – weshalb sie alles Mögliche behaupten können. Klaus Feumer erzählt: »Einer meiner Partner hat es geschafft, sich zu klonen: Er hat pro Woche, also in fünf Arbeitstagen, zehn Tagessätze à 5000 Euro abgerechnet. Fünf Projekte hatte er gleichzeitig am Laufen, mit unterschiedlichen Firmen. Auf jedes Projekt hat er zwei Wochentage für ›Strategiearbeit‹ gebucht. Soweit ich weiß, hat er für keines dieser Projekte einen Finger krumm gemacht, er holte in dieser Zeit neue Aufträge ran.« 50 000 Euro für eine Null-Leistung – ein starkes Stück!
    Den Unternehmensberatungen kommt dabei zugute, dass sie große Geheimniskrämer sind:
    Wie ein heimlicher Bigamist sich mehrere Frauen hält, ohne dass eine etwas von den anderen weiß, hält sich der Partner einer Unternehmensberatung mehrere Kunden, ohne dass sie voneinander

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