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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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staunte über ihre Naivität: »Viele waren überzeugt: Wir Berater tun alles für ihr Wohl. Dabei war der wichtigste Maßstab immer: das Wohl unserer Firma. Also: viele Abrechnungstage und hoher Umsatz!«
    Wenn es eine Lizenz zum Gelddrucken gibt, dann das Beratungsgeschäft. Nicht nur die Inhaber der Unternehmensberatungen, Partner genannt, sondern auch die Berater kassieren saftige Gehälter. Ein Uni-Abgänger beginnt mit 55 000 bis 70 000 Euro im Jahr. Für jeden Beratungstag werden den Firmen pro Mann 1000 bis 4000 Euro in Rechnung gestellt. Ein Partner kann schon mal 6000 bis 10 000 Euro kosten.
    Ein Hochschulabgänger, der 70 000 Euro im Jahr bekommt, wird von seiner Unternehmensberatung beispielsweise zu einem Tagessatz von 2000 Euro platziert. Nach rund 40 Einsatztagen hat sich sein Jahresgehalt amortisiert. Alles, was jetzt noch fließt – bei 150 Einsatztagen pro Jahr noch 220 000 Euro –, rauscht in die Kassen der Partner. Am Jahresende schwimmen sie in Millionensummen.
    Â»Mich wundert es, dass niemand diese Tagespreise der Beratungsfirmen in Frage stellt«, sagt Klaus Feumer. »Wenn wir mit fünf Mann in einer Firma waren, hat das pro Tag 15 000 Euro gekostet. Dieses Geld stand in keinem Verhältnis zu unserer Leistung. Zum Teil haben wir ja nicht mal die Branchen gekannt und Wochen gebraucht, um uns einzuarbeiten. Eigentlich hätten wir noch Lehrgeld mitbringen müssen!«
    Der einzige Grund, warum die Tagessätze so hoch liegen: weil sie so hoch liegen! Diese Phantasiepreise werden von vielen Händen, einem Kartell aus Beratungsfirmen, als scheinbar fairer Marktpreis hochgehalten. Die Gewinnspannen reichen bis in den dreistelligen Prozentbereich; davon träumen die beratenen Firmen nur. Der arme Mann finanziert den reichen.
    Eine Beispielrechnung: Wenn eine Firma einen exzellenten Hochschulabgänger selbst einstellt, kostet sie das etwa 4000 Euro pro Monat. Aber wenn dieser Hochschulabgänger die Firma nicht als Angestellter, sondern als Berater betritt, kostet derselbe Mann 2000 Euro pro Arbeitstag. Das macht 40 000 Euro im Monat und 500 000 Euro im Jahr. Nicht für einen Top-Manager, sondern für einen Anfänger!
    Doch dieselben Irrenhäuser, die Beratern 500 000 Euro hinterherwerfen, feilschen bei eigenen Mitarbeitern schon mal um 50 Euro. Geld ist ein Gradmesser für Wertschätzung. Eigene Mitarbeiter stehen bei den Irrenhäusern offenbar tief im (Zahlungs-)Kurs, Berater umso höher.
    Das hat auch mit Eitelkeit zu tun: Ein Irrenhaus-Direktor, der sich für wichtig hält, umgibt sich mit Beratern. Ein Irrenhaus-Direktor, der sich für sehr wichtig hält, umgibt sich mit einem Beraterstab. Alle Unternehmensberater dieser Erde tragen schwarze Anzüge, die ebenso faltenfrei wie ihre jugendlichen Gesichter sind. Hätten sie keinen Dienstwagen, könnten sie im Schulbus mitfahren, ohne dabei aufzufallen. Nur ihr Taschengeld wäre nicht zu schlagen.
    Klaus Feumer erklärt die Spendierfreude der Firmen so: »Offenbar denken die: Was so viel kostet, muss ja auch viel bringen. Dass es viel kostet, aber nichts bringt, und deshalb doppelt teuer ist, das kapieren sie nicht. Oder erst zu spät.«
    Das geht schon los, wenn sie den Auftrag vergeben: »Beim Blick aufs Unternehmen sagst du immer: ›Klar, Sie können viel, viel Geld sparen.‹ Das ist der Köder. Als Berater hast du keine Ahnung, ob das stimmt – du ziehst erst mal den Auftrag an Land. Erst danach gräbst du wie ein Trüffelschwein nach Sparpotentialen.« Das kann dauern! Und wenn nichts Seriöses ans Licht kommt, zieht der Berater den Joker: Er streicht Planstellen.
    Hinzu kommt die Gier nach Folgeaufträgen, wie Feumer berichtet: »Wir wurden gemessen an unseren Beratungstagen, daher war klar: Halt den Kunden so lang wie möglich an der Angel!« Der gängige Kniff: Die erste Überschlags-Kalkulation bezieht sich vor allem auf die Entwicklung eines Konzeptes, nicht aber auf die Implementierung; die, so heißt es, könne das Unternehmen mit Fleiß allein bewerkstelligen.
    Doch Feumer fragt spöttisch: »Was passiert, wenn du den Mitarbeitern zwar die Werkzeuge in die Hand drückst, aber nur mit unvollständiger Anleitung? Wenn du Wissen zur Umsetzung zurückhältst?« Dann bekommen sie Panik, wenn deine Zeit im Unternehmen abläuft. Dann

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