Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
die Wut kühlte auch wieder ab: Ein paar Tage später bekam ich meine Ehre zurück (»Sehr geehrter â¦Â«). Einen Monat später war ich in die »Hallo«-Liga aufgestiegen. Und eines schönen Tages traf mich sogar seine Liebe wieder (»Lieber ...«).
Meine Freude darüber hielt sich in Grenzen, denn ich wusste: Schon aus der nächsten Mail konnte wieder der Polarwind wehen!
Siggi Richert, Kundenbetreuer
Betr.: Wie mein Chef über die
Rechtschreibung stolperte
Wäre mein Zeugnis ein Schuldiktat gewesen, der Verfasser hätte eine Sechs dafür bekommen. Jedes Mal, wenn von Herrn Haupts â also meinen â Eigenschaften die Rede sein sollte, stand dort: »Herrn Hauptâs â¦Â«. Mein Chef, Leiter der Versandabteilung, hatte einen Idioten-Apostroph angehängt. Im Englischen wäre das richtig gewesen â im Deutschen war es grottenfalsch. Statt »anders« hieà es in meinem Zeugnis: »anderst«. Die »Loyalität« war zur »Lojalität« mutiert. Und meine »Einsatzfreude« kam als »Ein-Satz-Freude« daher â als wäre ich ein tumber, wortkarger Tor gewesen, der im ganzen Jahr nur einen Satz über die Lippen brachte (womöglich: »Kann ich mehr Gehalt haben?«). Insgesamt zählte ich auf eineinhalb Seiten zwölf Rechtschreibfehler.
Ein Jahr zuvor hatte eine Sparwelle jene Sekretärin weggeschwemmt, die auch für den Versandleiter wichtige Dokumente geschrieben hatte. Seither tippt er, schulisch recht ungebildet, alle Dokumente selbst. Man merkt es!
Aber wie sollte ich diese Fehler korrigieren lassen, ohne mei nen Chef zu blamieren? Mir kam eine pfiffige Idee: Ich sagte ihm, dass ich das Zeugnis gerne um einige Punkte ergänzen und ihm zumailen würde. »Einverstanden«, sagt er. Und wie nebenbei korrigierte ich alle Rechtschreibfehler.
Umso verblüffter war ich, als das Zeugnis wieder auf meinem Tisch landete: Einige Fehler, unter anderem der IdioÂtenaposÂtroph und die »Ein-Satz-Freude«, waren zurück in den Text gewandert. Offenbar hatte mein Chef die schlechte Rechtschreibung nicht bei sich, sondern bei mir gesucht â und sie flugs korrigiert!
Jetzt blieb mir nur der direkte Weg: Ich strich die Fehler an und bat um Korrektur. Er zog ein beleidigtes Gesicht. »Das sind keine Fehler. Ich kann Ihnen das beweisen.« Er zerrte mich vor seinen Computer. »Schauen Sie mal, das Wort âºEin-Satz-Freudeâ¹ ist in Word nicht unterkringelt â also kann es nicht falsch sein. Und auch dieser Apostroph wird angenommen. Ich nehme mal an, das ist Geschmackssache.«
Ich lieà ihn in diesem Glauben. Aber setzte meinen Geschmack durch! Sonst hätte jeder bei der Lektüre meines Zeugnisses gedacht: »Wenn schon sein Chef ein Rechtschreib-Trottel ist, wie dumm muss dann erst der Mitarbeiter sein?«
Andreas Haupt, Versand-Mitarbeiter
7.
Zumutung Zeitarbeit:
Die Tricks der Sklavenhändler
F rüher legte man Sklaven in Ketten, um ihnen ihre Rechte zu rauben. Heute geht das einfacher: per Leiharbeiter-Vertrag. Dieses Kapitel verrät Ihnen â¦
wie die Caritas, ein kirchlicher Arbeitgeber, billige Leiharbeiter in den Weinberg des Herrn schleust,
wie ein Busbetrieb eine eigene Personalvermittlung gründete, um Mitarbeiter am Tarif vorbeizulotsen,
warum ein geliehener Paketbote zwar DHL -Kleidung trägt, aber nicht mal ein halbes DHL -Gehalt verdient
und wie ein Vorgesetzter seine Leiharbeiter so lange erpresste, bis sie pausenlos Brötchen spendierten und ihm beim Umzug halfen.
Die Uniklinik als Westernheld
Die Krankenschwester Petra Geià (32) hätte vor Freude einen Salto drehen können: Ihren alten Arbeitsplatz sollte sie wiederbekommen. Vor drei Jahren hatte sie die renommierte Uniklinik verlassen. Doch alle Krankenhäuser, in denen sie danach gearbeitet hatte, waren ihr wie Stimmungs-Hospize vorgekommen. Nie wieder war sie auf ein Schwesternzimmer gestoÃen, in dem so viel gelacht wurde.
Und nun hatte sich auf ihre Bewerbung die Stationsleiterin gemeldet und fröhlich gesagt: »Na klar nehmen wir dich wieder!« Etwas formaler fügte sie hinzu: »Allerdings werden unsere neuen Mitarbeiter nur noch über die Personalservice GmbH eingestellt. Du schlieÃt deinen Arbeitsvertrag nicht mit dem Krankenhaus direkt, sondern mit dieser Leiharbeits-Firma.«
»Warum Leiharbeit? Ich denke, es ist ein
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