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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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eigenen Briefbogen und einen eigenen Geschäftsführer. Allerdings sitzt ihr einziges Büro, ein 20-Quadratmeter-Raum, direkt gegenüber dem Busbetrieb.
    Der Mann, der als »Geschäftsführer« eingetragen ist, war zuvor Personaler der Busfirma. Noch heute hat er sein Büro im Hauptgebäude. Doch immer, wenn er ein Einstellungsgespräch für die »Transport-Personal KG « führt, spaziert er mal eben über die Straße. Nur ein paar Meter für ihn – aber Zehntausende von Euro, die sein Irrenhaus durch dort abgeschlossene Verträge spart.
    Wer als Busfahrer über die Agentur eingestellt wird, bekommt ein gutes Drittel weniger Gehalt, hat nur 25 statt 30 Urlaubstage und kann, sobald es der Geschäftsführung passt, wieder vor die Tür gesetzt und durch billige Nachrücker ersetzt werden.
    Die Stammbusfahrer sehen diese Entwicklung mit größter Skepsis. Früher konnten sie ihre vertraglichen Arbeitszeiten einhalten. »Doch heute«, erzählt mein Informant, »muss ich öfter mal zehn oder elf Stunden am Tag machen – ohne finanziellen Ausgleich. Wie sollte ich meinem Arbeitgeber erklären, dass ich 40 Prozent mehr als der junge Zeitarbeits-Kollege verdiene, aber nicht mal dieselben Arbeitszeiten wie er leisten will?«
    Wer als Stammmitarbeiter auf seinen Rechten besteht, lebt gefährlich: »Ein Kollege hat dem Chef mit der Gewerkschaft gedroht. Danach bekam er eine Abmahnung nach der anderen. Immer wieder gingen unzutreffende Beschwerden von Fahrgästen bei der Firma ein, offenbar vom Chef arrangiert.«
    Je mehr Stammmitarbeiter rausgeekelt werden, desto mehr Geld bleibt hängen: Wenn ein Stamm-Busfahrer mit 2800 Euro pro Monat ausscheidet, rückt ein Leih-Busfahrer mit 2000 Euro nach – das macht eine Ersparnis von weit über 10 000 Euro im Jahr, da auch das Weihnachtsgeld und der Urlaubsanspruch deutlich geringer sind.
    Stellt sich der Gesetzgeber diesen Wild-West-Methoden in den Weg? Nein, er faucht die Firmen nur als Papiertiger an. Zwar hat er mittlerweile verboten, dass Mitarbeiter vom Stammbetrieb entlassen und über eine Zeitarbeitsfirma wieder eingeschleust werden, wie es einst Schlecker tat (diesen Fall können Sie im ersten Irrenhaus-Band nachlesen). Auch wurde ein Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche eingeführt, von 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten. 62
    Aber das eigentliche Problem wurde von der Politik nicht angefasst: dass für dieselbe Tätigkeit bei gleicher Qualifikation im selben Betrieb unterschiedliche Löhne gezahlt werden dürfen. Was hilft ein Mindestlohn von 7,79, wenn eine qualifizierte Arbeitskraft eigentlich 15 Euro bekommen müsste?
    Hier ein Vorschlag, wie sich das Problem schnell lösen ließe: Wir sollten alle Bundestagsabgeordneten, die in den nächsten Jahren nachrücken, über eine »Volks-Personal AG« zu halben Diäten anheuern. Natürlich bekommen diese Leih-Abgeordneten, im Gegensatz zu ihren Stamm-Kollegen, keine Erste-Klasse-Freikarte für die Bahn, keine Mitarbeiter für ihr Abgeordnetenbüro und einen reduzierten Urlaubsanspruch.
    Wie lange würde es wohl dauern, bis ein Gesetz über gleiche Löhne für Leiharbeiter erlassen wäre?
    Â§ 26 Irrenhaus-Ordnung: Eine Firma, die Mitarbeiter an sich selbst verleiht, ist etwa so seriös wie eine Gelddruckerei, die nur das eigene Portemonnaie beliefert.

Irrenhaus-Sprechstunde 13
    Betr.: Wie mich meine Zeitarbeitsfirma
zum Hausmeister-Gehilfen degradierte
    Ich war als Controller für eine Zeitarbeitsfirma im Einsatz, als die Wirtschaft zu stottern begann. Der Konzern, an den ich verliehen war, ließ meinen Einsatz auslaufen. Ich wartete auf neue Aufträge. Bald rief die Filialleiterin der Zeitarbeits-Firma an: »Kommen Sie bitte zu uns ins Haus, hier können Sie sich nützlich machen.« Tatsächlich war die Firma berechtigt, mich auch bei sich einzusetzen. Ich freute mich auf eine Aufgabe. Vielleicht standen Bilanzierungsarbeiten an, bei denen ich mein Fachwissen einbringen konnte?
    Als ich die Firma dann betrat, empfing mich die Chefin mit den Worten: »Also, das ist Ihre Aufgabe.« Grinsend drückte sie mir eine alte Plastiktüte in die Hand. Die Tüte wog schwer, ihr Inhalt klapperte. Neugierig lugte ich hinein. Ein rostiger Metallhaufen grinste mich an: Hunderte von Schlüsseln.
    Â»Und was soll ich

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