Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
Vom Netzwerk:
zögerte, fügte er hinzu: »Du hängst doch an deinem Arbeitsplatz – oder?«
    So ging das immer: Er setzte mir die Pistole auf die Brust, er erpresste mich. Wie oft schon hatte ich sein Auto durch die Waschstraße gefahren, war als Bote für seine Frau losgeflitzt oder hatte säckeweise Gartenerde besorgt. Am meisten hasste ich die Privateinkäufe: Immer hieß es, ich sollte das Geld nur »auslegen«. Doch wenn er die Einkäufe entgegennahm, ließ er sein Portemonnaie stecken.
    Nun war ich also als Umzugshelfer gefragt. Meinen Leiharbeiter-Kollegen verschwieg ich diesen Einsatz – es war mir einfach peinlich, was ich alles mit mir machen ließ. Doch offenbar ging es den anderen nicht besser: Vor dem Haus des Chefs winkten mir schon zwei andere Leiharbeiter entgegen. Einer hatte seinen alten Kombi als Umzugsfahrzeug mitbringen müssen.
    Der Vorarbeiter wusste, dass er uns in der Hand hatte. Er hätte nur einmal bei unserer Zeitarbeitsfirma anrufen müssen, schon wäre unser Einsatz beendet gewesen. Wir waren nur geliehen. Es brauchte keine Kündigungsgründe, um uns wieder loszuwerden.
    Diese Macht nutzte der Vorarbeiter aus, auch in der Firma. Dort hatte er uns Leiharbeiter aufgefordert, einmal pro Woche ein »Semmeln-Frühstück« auszugeben. Erst hatten wir noch abgelehnt, weil das viel zu teuer war. Doch schließlich hatten wir einmal nachgegeben. Danach wurde sofort ein Gewohnheitsrecht daraus: Jeden Donnerstag hatten wir belegte Semmeln mitzubringen. Dass wir uns dieses Frühstück nicht leisten konnten, schien den festangestellten Kollegen ihren Appetit nicht zu verderben. Sie selbst luden uns nur an ihren Geburtstagen ein.
    Der Umzug des Vorarbeiters dauerte bis zum späten Abend. Ich spürte jeden Knochen einzeln. In der Woche danach mussten wir noch beim Tapezieren helfen. Geld gab’s dafür keines. Wir waren schon froh, dass wir keine Semmeln mitbringen mussten.
    Jörn Siebert, Hilfsarbeiter

8.
Die Gehaltsdrücker-Kolonne:
»Wir geben nichts!«

A uch wenn die Gewinne wie Platzregen auf Ihre Firma einprasseln: Sobald Sie mehr Gehalt fordern, herrscht in der Kasse (angeblich) Ebbe. Dieses Kapitel verrät Ihnen …
wie ein Maulwurf in einer Firma, die gerade Mitarbeiter entließ, 17 äußerst peinliche Chefgehälter ans Licht wühlte,
was ein Mitarbeiter, der mehr Gehalt will, mit einem Bankräuber gemeinsam hat,
welche Gehälter – oh Wunder! – sich in den letzten 20 Jahren verfünffacht haben
und wie ein Mitarbeiter, der eine Gehaltserhöhung wollte, mit einer Gehaltskürzung aufwachte.
    Ein Maulwurf im Irrenhaus
    Der Maulwurf ist ein possierliches Tierchen. Doch was er ans Licht bringt, sorgt oft für Ärger. Das gilt im Vorgarten, aber auch in Irrenhäusern. Erst recht, wenn der Maulwurf einen brisanteren Stoff als Erde schaufelt: Gehaltszahlen. Dann kann’s peinlich für die Irrenhaus-Direktoren werden.
    Beim Fußball sind die wichtigen Zahlen eigentlich öffentlich: Punkte und Tore. Sie stehen in der Tabelle. Manchmal stehen sie auf der falschen Seite der Spalte. Dann krebst ein Verein im Tabellenkeller. So war das beim Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden in der Saison 200 8 / 2009.
    Das eigene Tor wurde schlecht gehütet. Anders die Spielergehälter! Sie galten als »streng vertraulich«, was übersetzt stets heißt: »Wir haben was zu verbergen!« Wenn ein Irrenhaus-Mitarbeiter nicht wissen darf, was der andere verdient, ist der Grund immer derselbe: Ungerechtigkeit. Lägen die Gehaltsunterschiede in der Leistung begründet, könnte man sie erklären und müsste kein Geheimnis daraus machen.
    Der Maulwurf ging beim SV Wehen rabiat ans Werk: Er schaufelte die Gehaltszahlen aller Spieler auf den Tisch eines »Bild«-Redakteurs. Der nutzte die Steilvorlage für ein publizistisches Tor. 67 Am nächsten Tag wusste die halbe Nation, wie ungleich die Gehälter bei jenem Verein verteilt waren, dessen treuster Stadionbesucher in den letzten Monaten das Abstiegsgespenst war.
    Wie konnte es sein, dass der Fußballer Sanibal Orahovac im Monat 17 000 Euro in seine Gehaltstüte gestopft bekam und noch 1500 für jeden Punkt dazu? Welche sachlichen Gründe gab es dafür, dass der Verein ihn mitten im Abstiegskampf mit einer fünfstelligen Prämie bei Laune gehalten hatte?
    Die anderen Spieler des Irrenhaus-Vereins

Weitere Kostenlose Bücher