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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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schlechtesten Mitarbeiter halten. Dagegen wandern die guten, die ambitionierten, die talentierten Mitarbeiter dorthin ab, wo mehr gezahlt und weniger gefeilscht wird – zu Nicht-Irrenhäusern.
    Merke: Ein Mitarbeiter, der mehr Gehalt will, ist kein Räuber – auch wenn er von den Irrenhäusern so behandelt wird!
    Â§ 30 Irrenhaus-Ordnung: Was der Mond für einen Werwolf ist, ist die Gehaltsforderung des Mitarbeiters für einen Chef: ein Grund, aus der Haut zu fahren und zu heulen.

Irrenhaus-Sprechstunde 15
    Betr.: Wie sich Führungskräfte an
Mitarbeitern bereichern
    Nachdem ich zum Abteilungsleiter befördert worden war, inter­essierte mich brennend, welcher Etat mir pro Jahr für Gehaltserhöhungen zur Verfügung stand. Mein Chef erklärte mir: »Sie bekommen jedes Jahr eine Summe, die Sie nach eigenem Er messen unter Ihren Mitarbeitern verteilen können. Der Gesamt­etat steigt jährlich um etwa zwei Prozent.«
    Â»Das heißt, ich kann frei entscheiden, wer von diesem Kuchen ein großes Stück bekommen soll? Und wer ein kleineres?«
    Der Chef nickte, besonders eifrig bei dem Wort »kleineres«: »Genau! Nicht jeder Mitarbeiter muss eine Gehaltserhöhung bekommen, nur weil er ein Jahr bei uns abgesessen hat. Das sollte wirklich nach Leistung gehen. Und es ist zweckmäßig, dass Sie nicht den kompletten Etat ausbezahlen.«
    Â»Aber zwei Prozent pro Mitarbeiter sind ja nicht die Welt. Wenn ich den Leistungsträgern zum Beispiel fünf oder sechs Prozent geben möchte, bleibt für die anderen ja kaum was übrig.«
    Er neigt sich zu mir und raunte: »Es gibt auch einen Anreiz für Sie persönlich, den Etat zu schonen.« Dann legte er eine kunstvolle Pause ein, als hätte er gerade einen Lottogewinner gezogen und würde ihn nun bekanntgeben: »Von dem Teil des Etats, den Sie nicht beanspruchen, steht Ihnen die Hälfte als außerordentliche Prämie zu. Angenommen, Sie verzichten auf die Auszahlung von insgesamt 6000 Euro – dann gehen am Jahresende 3000 Euro an Sie. Eine Win-win-Lösung, für die Firma und für Sie.«
    Wer die Verlierer waren, erwähnte er nicht: die fleißigen Mit ­arbeiter, die mit Mini-Beträgen abgespeist wurden. Jede Erhöhung, die eine Führungskraft gewährte, bezahlte sie gewissermaßen zur Hälfte aus dem eigenen Portemonnaie. Aus Sicht der Firma hätte es keine bessere Sparbremse geben können.
    Schlagartig ging mir auf, warum die Gehaltsverhandlungen mit meinem alten Chef in derselben Firma immer dem Anrennen gegen eine Panzerschrank-Tür geglichen hatten.
    Ronald Barnes, Abteilungsleiter (Anlagenbau)
    Betr.: Wie meine Firma als Stundendieb zuschlägt
    Die Zahl auf meiner Abrechnung gefiel mir nicht: Mein Gehalt lag fünf Prozent niedriger als vereinbart. Es war mein erster Monat bei der bekannten Handelsfirma. Das Kleingedruckte auf der Abrechnung erklärte mir die Differenz: Mein Stundenkonto für den letzten Monat wies ein Defizit von sieben Stunden auf.
    Wie konnte das sein? Bei meinem letzten Arbeitgeber hatte ich meine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden niemals unterschritten. Ganz automatisch blieb ich pro Tag mindestens acht Stunden in der Firma. Genauso hatte ich es an meinem neuen Arbeitsplatz gehalten. Die Arbeitszeiten wurden per Chipkarte erfasst. Konnte sich das Computersystem verrechnet haben?
    Im nächsten Monat schrieb ich mir täglich meine Zeiten auf. Das Ergebnis am Monatsende beruhigte mich: Ich hatte es auf 41 Stunden gebracht. Gelassen sah ich der neuen Gehaltsabrechnung entgegen. Böse Überraschung: Wieder war das Gehalt gekürzt, wieder fehlten Arbeitsstunden. Diesmal angeblich sechs.
    Ich nahm eine der neuen Kolleginnen zur Seite, schilderte ihr den Vorgang und fragte: »Wie soll ich das unserem Chef ver­ klickern?«
    Â»Besser gar nicht«, sagte sie. »Das System arbeitet gegen dich.«
    Â»Gegen mich?«
    Â»Gegen alle Arbeitnehmer. Die Zeiterfassung wird gerundet. Wenn du um 7.01 anfängst, rundet das System auf 7.15 Uhr. Es stiehlt dir also 14 Minuten.«
    Â»Ist ja eine Sauerei!«, sagte ich. »Auf der anderen Seite: Wenn ich abends um 16.01 gehe und das System 16.15 registriert, bekomme ich wieder 14 Minuten zurück.«
    Sie lachte bitter. »Schön wär’s! Am Nachmittag rundet das System in die andere Richtung. Wenn du um

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