Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Immobilienfirmen der Region ihre Gewinne um 75, 100 und 150 Prozent steigern konnten, brachte es diese Gurken-Firma auch nur auf schlappe 25 Prozent. Und doch waren die Manager an diesem Gewinn beteiligt und konnten ihre Gehälter um ein Viertel steigern. Man maà sie nicht â wie es logisch gewesen wäre! â am Markt, der sie um das Drei-, Vier-, ja Sechsfache abhängte; man maà sie an ihrer eigenen Leistung, die bis dahin so dürftig ausgefallen war, dass eine Steigerung mit dem Rückenwind des Marktes spielend gelang.
Der Erfolg eines Managers: kein Leistungs-, sondern ein ZufallsÂprodukt? Zwei amerikanische Ãkonomen, Marianne Bertrand (Chicago) und Sendhil Mullainathan (Harvard), untermauern diese These. 74 Wie ein Weinbauer wenig dazu beiträgt, ob ein guter oder schlechter Jahrgang auf seinem Berg reift â denn dies hängt vom Wetter ab â, so trägt ein Manager oft wenig dazu bei, ob sein Unternehmen Gewinne oder Verluste macht â denn das hängt von der Konjunktur ab.
Der Boss eines Ãlkonzerns ist ein gutes Beispiel. Wenn mal wieder ein Krieg in der Golfregion droht, dann schieÃen die Ãlpreise nach oben â und mit ihnen die Gewinne der Ãlkonzerne. Aber was hat der Manager eigentlich zur Kriegsgefahr beigetragen? Nichts (hoffe ich wenigstens)! Und was kann der Ãl-Manager dafür, wenn der Motor der Weltkonjunktur anzieht und Ãl wie ein Verrückter säuft? Wieder: nichts!
Die Irrenhaus-Direktoren erklären die Unternehmenskasse zum Selbstbedienungsladen â für sich selbst. Aber wehe, ein Mitarbeiter will mal zulangen! Dann klopfen sie ihm in der Gehalts verhandlung auf die Finger. Dabei kommen raffinierte Tricks zum Einsatz.
Zum Beispiel sagt der Irrenhaus-Direktor: »Ja, Sie haben es verdient â trotz aktueller Gehaltssperre. Weil Sie so fleiÃig sind, konnte ich 50 Euro im Monat durchsetzen.« 75 Der Mitarbeiter wollte zwar das Zehnfache. Aber muss er nicht hochzufrieden sein, trotz der »Sperre« überhaupt eine Erhöhung zu bekommen?
Er denkt, er könne bald nachverhandeln. In Wirklichkeit wurde er Opfer eines Trickbetrugs, denn für Gehaltsverhandlungen gilt eine ungeschriebene Schamfrist von knapp zwei Jahren. Wann immer er vor Ablauf dieser Zeit bei seinem Irrenhaus-Direktor anklopft, um die offenen neun Zehntel einzufordern, wird er hören: »Sie haben doch gerade erst eine Gehaltserhöhung bekommen!« Die Mini-Erhöhung knebelt ihn.
Andere direkte Vorgesetzte lassen die Energie des Angreifers ins Leere laufen. Statt Widerstand zu leisten, sagen sie: »Ja, Sie haben eine ausgezeichnete Leistung erbracht. Und ich habe mich für Sie stark gemacht. Doch leider blockiert mein eigener Chef Ihr Anliegen.«
Der direkte Vorgesetzte spielt sich zum Freund und Helfer auf. Der Mitarbeiter soll vor lauter Dankbarkeit im nächsten Jahr noch ein paar Arbeitsgänge hochschalten. Der Schwarze Peter wandert eine Hierarchiestufe nach oben â auch dann, wenn sich der direkte Chef höchstpersönlich gegen die Gehaltserhöhung ausgesprochen oder den eigenen Vorgesetzten nicht einmal angesprochen hat.
Eine Gehaltserhöhung sanft ablehnen â das geht auch mit der sozialen Masche: »Das wäre ungerecht gegenüber Ihren Kollegen!« Die Firma, die sich sonst einen feuchten Kehricht um Gerechtigkeit kümmert, spielt sich zur Mutter Teresa auf. Frühestens dann, wenn er die Gehaltsverhandlung wieder verlassen hat, geht dem Mitarbeiter auf: Dass man ihn mit einem Hungerlohn abspeist, weil seine Kollegen angeblich auch Hungerlöhne bekommen, macht weder ihn noch seine Kollegen satter! Die Firma hat nicht Gerechtigkeit, sondern nur den eigenen Gehaltsetat verteidigt.
Und wenn alles nichts mehr nützt, zahlen die Irrenhäuser eine Gehaltserhöhung in einer Währung aus, die von keiner Bank anerkannt wird: in Lob. Der Chef tritt wie eine Ein-Mann-Fankurve auf und bejubelt die Leistung des Mitarbeiters. Er malt ihm eine Zukunft aus, in der die Gehaltsbäume in den Himmel schieÃen werden und in der eine Beförderung sicher ist.
Benebelt von dieser Lob-Narkose sieht der Mitarbeiter darüber hinweg, dass der Irrenhaus-Direktor seine aktuelle Gehaltserhöhung, um ihn nicht mit winzigen Beträgen wie 500 oder 750 Euro zu belästigen, bis zu einer »angemessenen Erhöhung« aufschieben will. Bis dahin,
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