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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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war keine Dummheit – sondern eine große Dummheit!«
    Beim Meeten wollen sich alle überbieten. Es geht um Rangkämpfe, um Imagepflege, um Machtspielchen.
    Einig sind sich die Chefkollegen nur, wenn sie auf ihren Prügelknaben, die Personalabteilung, mit voller Wucht eindreschen: Die »Human Resources«-Mitarbeiter (HR), so heißt es, zauberten nicht genug »High Potentials« herbei, hielten die Angestellten durch Fortbildungen von der Arbeit ab und belästigten die Abteilungsleiter mit überflüssigen Seminarvorschlägen – wer hat schon Kurse nötig wie »Die Kunst, Meetings effektiver zu gestalten«?
    3. Sachverstand bleibt vor der Tür
    »Die neue Software ist eine Katastrophe«, klagte der Sachbearbeiter einer Dokumentationsfirma. »Was vorher nur ein Klick war, ist jetzt ein komplizierter Vorgang.«
    »Warum wurde ein so untaugliches Programm überhaupt angeschafft?«, fragte ich.
    »Weil die Kollegen und mich keiner gefragt hat. Die Entscheidung haben die Chefs bei einem Meeting unter sich ausgemacht.«
    »Aber Ihr direkter Chef hätte den Standpunkt seiner Abteilung gegenüber doch vertreten können.«
    »Wie denn? Er kannte ihn ja gar nicht!«
    »Weshalb hat er nicht nachgefragt?«
    »Das hält er nicht für nötig. Er springt von einem Meeting in das nächste, aber fühlt sich noch auf der Höhe des Tagesgeschäfts. Schließlich war er selbst Fachkraft in unserer Abteilung. Aber das ist gefühlte hundert Jahre her. Alle Veränderungen seit dieser Zeit sind an ihm vorbeigerauscht.«
    »Auf welcher Grundlage wurde die Software dann angeschafft?«
    »Die Bosse haben sich auf die Besprechung in einer Fachzeitschrift verlassen. Nur hatte man übersehen, dass unser Bedarf einen Tick anders aussieht.«
    Typisch Irrenhaus: Die Platzkarten für Meetings werden nicht nach Kompetenz, sondern nach Hierarchie vergeben. Die feine Chefgesellschaft bleibt unter sich. Die Mitarbeiter und ihr Sachverstand bleiben vor der Tür.
    Die Oberen fällen Entscheidungen, wie man Eichen fällt. Und bei den Unteren schlagen diese Entscheidungen krachend auf. Die Einzelhandels-Manager beschaffen neue Kassensysteme, ohne eine Kassiererin zu fragen. Die Speditions-Manager kaufen neue Lastwagen, ohne einen Fahrer zu hören. Die Versicherungs-Manager führen neue Produkte ein, ohne einen Vertreter zu sprechen. Sie veranstalten ein Ratespiel, was die Kunden oder die Mitarbeiter wohl wollen. Statt mit ihnen zu reden. Statt sie ins Meeting zu holen!
    Der sicherste Weg, einen Mitarbeiter in einen störrischen Esel zu verwandeln, ist eine schwachsinnige Entscheidung über seinen Kopf hinweg. Zum Beispiel wird der Versicherungsvertreter ein törichtes Produkt, das ihm die Chefs aufgedrängt haben, seinen Kunden wie Sauerbier verkaufen – dagegen würde er ein Produkt, an dem er mitgewirkt hat, mit Engelszungen anpreisen.
    Doch die Irrenhaus-Direktoren fühlen sich schon dadurch, dass kein Mitarbeiter-Demonstrationszug aufmarschiert, in der Weisheit ihrer Entschlüsse bestätigt. Die Realität dringt erst später zu ihnen vor – wenn die Geschäftszahlen den Sprung vom Zehn-Meter-Brett üben.
    Betr.: Mein Chef ist ganz nah – und doch unerreichbar fern
    Mein direkter Vorgesetzter sitzt nur ein paar Bürotüren weiter. Aber für mich ist er unerreichbar weit entfernt. Seit Wochen gelingt es mir nicht mehr, ein längeres Gespräch mit ihm zu führen. Dabei gibt es wichtige Fragen zu klären.
    Ich komme mir schon wie ein Stalker vor. Wenn ich ihm Mails schreibe, antwortet er nicht. Wenn ich um einen Termin bitte, vertröstet er mich. Wenn ich ihn auf dem Flur anspreche, murmelt er »später« und huscht an mir vorbei.
    Mein Chef sitzt rund um die Uhr in Meetings. Ich habe nachgerechnet, es sind pro Tag über fünf Stunden. Davor studiert er Protokolle, danach schreibt er To-do-Listen. Offenbar füllt das seinen Arbeitstag zur Genüge. Zumal er Kunden und Lieferanten zwischendurch noch Gesprächstermine einräumt. Offenbar sind sie ihm wichtiger als ich und seine anderen Untergebenen.
    In den Sitzungen wird über alle möglichen Themen debattiert, unter anderem über die Bedeutung der Mitarbeiter. Ist das nicht ein Treppenwitz? Stundenlang hat man Zeit, um über Führung zu sprechen – aber keine Minute, um zu führen.
    Jürgen Berger, Budget Manager
    §16 Irrenhaus-Ordnung: Wer vor dem Meeting ein Problem hatte, ist danach einen Schritt weiter – er hat mindestens zwei Probleme!
    Das Action-Theater
    Der Betriebswirt Lars Oppel (49),

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