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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Management-Vordenker Richard Tanner Pascale in seinem Klassiker »Managen auf Messers Schneide« aufgezeigt: an ihrer Selbstgefälligkeit, ihrer Trägheit, ihrer Bürokratie. 37 Von 500 Unternehmen der Fortune-500-Liste (mit den erfolgreichsten Firmen der USA) waren fünf Jahre später 143 aus der Liste verschwunden – ein fatales Fallen der Engel, bei dem die deutschen Irrenhäuser locker mithalten können. Ob AEG oder Grundig, Rosenthal oder Karstadt, Kirch oder Karmann, Herlitz oder Quelle, Vulkan oder Holzmann, Coop oder Saarstahl: Am Ende wurden aus großen Unternehmen große Insolvenzen.
    Was passiert, wenn die Mitarbeiter nichts entscheiden dürfen, wenn sie wie Junkies an der Entscheidungsnadel des gehobenen Managements hängen? Dann geht nicht nur die Arbeitslust flöten – dann hinken die Pläne des Managements, die Vorlauf brauchen, der Wirklichkeit, die sich ohne Vorlauf verändert, immer ein paar Schritte hinterher.
    Im Zeitalter der Globalisierung, da sich das Weltwissen alle fünf Jahre verdoppelt, da sich das Karussell der Märkte immer schneller dreht – in dieser Zeit kann jede verlorene Sekunde ein verlorenes Geschäft bedeuten. Und jedes verlorene Geschäft kann der erste Nagel im Sarg einer (ehemals) großen Firma sein.
    Betr.: Wie ein Kollege zum »Betriebsspion« gestempelt wurde
    Der Kollege hatte genau das getan, was bei uns im Konzern üblich war: sich selbst eine Mail mit Anhang geschickt, von der Dienst- an die Privatadresse. Er wollte seine Konstruktionsarbeit am Wochenende fortsetzen, ohne den Laptop mitschleppen zu müssen.
    Fünf Tage später führte ihn der Sicherheitsdienst wie einen Schwerverbrecher aus dem Großraumbüro und brachte ihn zum Werkstor. Der Vorwurf: Betriebsspionage. Die Konsequenz: fristlose Kündigung!
    Eine der zahllosen Richtlinien in unserem Konzern gab vor: »Vertrauliche Konstruktionsdaten« durften das Werksgelände nicht verlassen, weder auf Datenträgern noch per Mail. Diese Regelung aber traf auf unsere Abteilung nicht zu. Die Konstruktionspläne, an denen wir arbeiteten, waren so wenig vertraulich wie der Benzinpreis an der nächsten Tankstelle – reine Routinearbeiten.
    Der Kollege, den es getroffen hatte, war als Muster an Zuverlässigkeit und Loyalität bekannt. Er arbeitete seit 25 Jahren für den Konzern. Unser Abteilungsleiter war bei der Entscheidung übergangen worden – er klärte seine Chefs über die Hintergründe auf und setzte sich für seinen Mitarbeiter ein. Doch die Manager wollten ihr Gesicht wahren. Sie blieben bei dem Standpunkt, die Daten seien »vertraulich« gewesen und der scheinbare Arbeitseifer eine raffinierte Form der »Betriebsspionage«.
    Erst ein Arbeitsgericht machte diesem Spuk ein Ende: Der Kollege wurde wieder eingestellt. Seit diesem Vorgang wissen wir, dass in dieser Firma die Richtlinien mehr als die Mitarbeiter zählen. Darum machen wir kaum noch Überstunden. Schon gar nicht unentgeltlich zu Hause.
    Guido Fesenmeyer, technischer Zeichner
    §30 Irrenhaus-Ordnung: Wer mit halb gefülltem Tank die doppelte Strecke fahren will, ist ein Idiot. Wer mit halbem Etat doppelte Ergebnisse erzielen will, ist ein Finanzvorstand.
    Die Trümmerhaufen der
Restrukturierung
    Hat der Wahnsinn einen Namen? Ja, er heißt: »Restrukturierung«. Dieser Begriff soll nach einer ordnenden Hand klingen. Als würde Chaos beseitigt. Das Gegenteil ist wahr! Die typische Restrukturierung gleicht einer Tsunami-Welle: All das, was in Jahren aufgebaut wurde, fegt sie mit einem Rauschen hinweg. Trümmer, Durcheinander und ratlose Mitarbeiter bleiben zurück.
    Diese Zerstörungskraft überrascht niemanden. Bis auf das gehobene Management. Was tun, wenn die Flut abgeebbt ist und die Katastrophe sichtbar wird? Wenn Abteilungen, die zusammengehören, auseinandergerissen sind? Wenn Mitarbeiter, deren Wissen unentbehrlich war, vom Hof gejagt wurden? Wenn die erhofften Aufträge und Einsparungen bei dem neuen Geschäftsmodell ausbleiben?
    Klar doch: Man schiebt die nächste Resturkturierung an. Die neuen Teams, deren Mitglieder gerade ihre Namen gelernt haben, die neue Budgetplanung, auf die alle eingeschworen wurden, die neuen Vorgesetzten, die den Mitarbeitern gerade vertraut werden – all das wird von der nächsten Welle weggeschwemmt. Und die Trümmerarbeit beginnt erneut …
    Übertreibe ich? Nur ein wenig. Etliche Irrenhäuser sind pausenlos damit beschäftigt, sich neu zu erfinden. Welche Einheiten lassen sich verschmelzen? Welche

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