Ich arbeite in einem Irrenhaus
schon weit ins eigene Leben hineingefressen – zu weit!
Je früher Sie ehrlich in den Spiegel schauen und reinen Tisch machen, desto eher können Sie Ihre Selbstachtung und Ihre Arbeitsfreude zurückerobern – und den Irrsinn in seine Schranken verweisen.
Aufgabe: Plädoyer vor Gericht
Es gibt eine Übung, mit der Sie herausfinden können: Sind die Gründe, die Sie in einem Irrenhaus festhalten, stimmige Gründe für Sie? Oder handelt es sich dabei nur um Vorwände, die sich nicht mit Ihrem Empfinden decken? Idealerweise beziehen Sie in diese Übung zwei vertraute Menschen oder einen professionellen Coach ein.
So geht’s: Notieren Sie auf einem Zettel alle Gründe, die Sie in Ihrer irren Firma halten. Kommen Sie auf mindestens fünf? Wenn nicht: Denken Sie noch einmal nach, ergänzen Sie.
Und nun stellen Sie sich vor, Sie wären ein Anwalt vor Gericht. Es geht um einen wichtigen Prozess, die Emotionen schaukeln sich hoch, Sie dürfen theatralisch und emotional sein. Halten Sie nun zu den Geschworenen – Ihren beiden Vertrauten – je zwei Plädoyers, während Sie den Zettel mit Ihren Gründen durchgehen: eines für Ihr Argument (»Ich bleibe, weil ich auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen habe«); und eines, das Ihr Argument als Scheinalibi zerschlägt (»In Wirklichkeit bin ich zu feige und habe mich mit dem Irrsinn arrangiert«). Probieren Sie, in beiden Fällen möglichst überzeugend zu wirken.
Nach der Übung geben Sie erst eine Selbsteinschätzung ab (man kann die Übung auch alleine absolvieren!): Welche Argumentation haben Sie mit mehr Leidenschaft, mehr Lebendigkeit vorgetragen? Welche Begründung hat Sie wie ein reißender Fluss gepackt und Ihre Worte förmlich getragen? In den meisten Fällen werden Ihre Stimme, Ihre Körpersprache, ja sogar das Funkeln in Ihren Augen verraten, welche Sichtweise Ihnen wirklich am Herzen und welche Ihnen nur auf der Zunge liegt.
Nach Ihrer Selbsteinschätzung fragen Sie Ihre »Geschworenen«: Was ist ihnen aufgefallen? Bei welchen Argumenten haben Sie echt gewirkt, waren Ihre Wort- und Ihre Körpersprache im Einklang? Und welche Begründungen kamen glaubwürdiger rüber?
Lassen Sie dieses Feedback auf sich wirken und warten Sie nach der Übung einige Tage ab, ehe Sie aufschreiben: Welche neuen Erkenntnisse haben Sie aus der Übung gewonnen? Was bedeutet das für Ihre berufliche Zukunft? Und was genau werden Sie bis wann unternehmen, um diesen Einsichten auch Taten folgen zu lassen?
Die Lästerfalle
Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der typische Irrenhaus-Insasse zu einem typischen Irrenhaus-Gegner wird: Der Irrsinn muss vollbracht und der Chef außer Hörweite sein. Dann, erst dann, zieht er vom Leder. Am liebsten in der Gruppe. Die Gleichgesinnten stecken ihre Köpfe zusammen, etwa in der Raucherecke, und lassen so viel Dampf ab, dass der Zigarettenrauch nicht mehr ins Gewicht fällt.
Eine Umfrage von stern.de ergab: Der durchschnittliche Mitarbeiter lästert jede Woche vier Stunden über seinen Chef. 62 In einem Konzern mit 12000 Mitarbeitern summiert sich das pro Woche auf 48000 Lästerstunden – und im Jahr auf über zwei Millionen.
Den Arbeits-Irrsinn durch den Kakao zu ziehen, ihn zu verlachen und zu verspotten, zu verfluchen und zu beschimpfen – das lieben die Mitarbeiter. Das Lästern ist ihr Rettungsring im Meer des Irrsinns, es bereitet ihnen diebische Freude. Die Untertanen proben den Aufstand. Verbal. Und heimlich.
Ich finde diese Reaktion nur allzu menschlich. Seit jeher lästern die Untertanen über den König, die Schüler über den Lehrer und die Mitarbeiter über den Chef. Aber sind diese Lästerorgien auch klug? Verschaffen sie Erleichterung? Bringen sie Veränderung? Im Gegenteil, wer Dreck in die Hände nimmt, macht sich selbst die Finger schmutzig. Und wer seine Hände verwendet, um diesen Dreck zu schleudern, hat keine Hand mehr frei, um den kritisierten Zustand tatsächlich zu verändern.
Welche psychologischen Funktionen erfüllt das Lästern? Erstens: Wer seinen Arbeitgeber anklagt, ihn verwünscht und verflucht, lenkt damit von seiner eigenen Rolle ab. Er muss sich keine selbstkritischen Fragen stellen, zum Beispiel, warum er den Irrsinn nicht aus seinem Büro fernhält – oder warum er, wenn der Irrsinn unaufhaltsam ist, nicht in eine erträglichere Firma abwandert.
Zweitens wirkt das Lästern moralisch befreiend. Wer dem Irrsinn als Handlanger dient, gegen die eigenen Werte handelt, sich die weiße Weste
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