Ich arbeite in einem Irrenhaus
beschmutzt, der kann das Lästern als Waschmittel gebrauchen. Verbal zeigt er genau das, was seine Taten vermissen lassen: Widerstand. Das scheint ihn über die Niederungen des Irrsinns zu heben. So wie die willigen Helfer einer politischen Diktatur sich nach deren Zusammenbruch als heimliche Vorhut des Widerstands zu erkennen geben. (»Wir haben das System unterwandert, um Schlimmeres zu verhindern.«)
Drittens ist das Lästern so herrlich einfach: Es reicht, die Sackgassen aufzuzeigen – statt die Wege zu weisen; es reicht, den Finger in die Wunde zu legen – statt die Wunde zu heilen. Der Lästerer muss keine Lösungen vorschlagen, keine konstruktiven Vorschläge machen, seine eigenen Ideen nicht unter Beweis stellen; er bleibt in der unverbindlichen und damit ungefährlichen Anklage hängen.
Und viertens hat das Lästern einen wunderbaren Vorteil: Es schweißt zusammen. Die einen bilden einen Fanklub, weil sie Musikgruppen lieben. Die anderen bilden Lästerklubs, weil sie ihre Firma hassen. Beides verbindet. Wenn Menschen dasselbe verachten, führt das zu Achtung untereinander. Ein gemeinsamer Feind sorgt für Zusammenhalt – und lenkt von Problemen ab, die man mit sich selbst oder miteinander hat.
Warum ich Ihnen diese Vorzüge des Lästerns schildere? Weil jedes Irrenhaus für Lästermäuler ein gefundenes Fressen ist. Der Lästerstoff wird hier am Fließband produziert, man kann sich von morgens bis abends das Maul zerreißen. Und so tun einige Mitarbeiter beim Arbeiten, was sie beim Lästern kritisieren. Und so kritisieren sie beim Lästern, was sie beim Arbeiten tun.
Doch Lästerorgien sind wie Wunderkerzen. Beim Abbrennen sprühen sie wunderschön. Aber dann bleibt nur Schwefelgeruch zurück. Und genau so, sagt man, riecht die Hölle. Das Lästern kann den Insassen nicht über die Leere seiner Tätigkeit, nicht über die Fremdheit zwischen ihm und der Firma, nicht über ein wert(e)loses Arbeitsleben hinwegtäuschen. Im Gegenteil, es stürzt ihn noch tiefer in die Verzweiflung.
Mir fällt immer wieder auf: Lästern wirkt wie eine Lupe; es lässt die Schwierigkeiten größer erscheinen. Und je mehr Aufmerksamkeit der Insasse einem Problem widmet (statt der Lösung!), desto unlösbarer wirkt es.
Denn jede Klage fällt auf den Klagenden zurück, erobert Raum in seinem Bewusstsein, macht ihn dem Gegenstand seiner Anklage ähnlicher – also (relativ) irre. Niemand hat dieses Dilemma so treffend auf den Punkt gebracht wie Bertolt Brecht in seinem Gedicht »An die Nachgeborenen«: »Auch der Hass gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge. Auch der Zorn über das Unrecht macht die Stimme heiser.«
Die fatalste Wirkung des Lästerns: Es verbraucht Energie, die fürs Handeln nötig wäre. Die Mitarbeiter reden nur über Missstände, statt das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und aus der Dunkelheit des Irrsinns mit aller Kraft aufs Licht eines glücklichen Arbeitslebens zuzustreben.
Verschwenden Sie Ihre Energie nicht länger auf die Schwächen der Firma, nicht länger auf den Irrsinn, nicht länger auf das, was Sie unzufrieden macht. Denken Sie besser darüber nach, was Sie bräuchten, um ein erfülltes Arbeitsleben im Einklang mit Ihren Werten zu führen, ein Leben, von dem Sie schwärmen könnten.
Übersetzen Sie jeden Lästersatz, der Ihnen über die Zunge kommen möchte, in einen konstruktiven Wunsch. Sagen Sie nicht mehr: »Diese Firma macht mich irre, weil sie immer über meinen Kopf hinweg entscheidet«, sondern: »Ich sehne mich nach einer Firma, in der ich bei Entscheidungen ein Wörtchen mitreden kann. Denn dann kann ich meine Kompetenz einbringen, fühle mich ernst genommen und sorge für sinnvollere Entscheidungen.«
Diese Konzentration auf Ihre Wünsche und Sehnsüchte wirkt genau umgekehrt wie das Lästern: Sie hält Sie nicht im Problem fest, sondern füllt den Tank Ihres Veränderungsmotors allmählich mit Treibstoff. Je öfter und je konkreter Sie daran denken, was Sie wirklich wollen, desto größer wird Ihre Sehnsucht danach, desto klarer wird das Bild Ihrer Wunschfirma – und desto eher können Sie schließlich das Jammertal des Irrsinns hinter sich lassen.
Sieben Fehler, die ins
Irrenhaus führen
Werden Sie in ein Irrenhaus eingewiesen? Nein, Sie weisen sich selber ein – indem Sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Wer einmal drin ist, sollte vor lauter Jammern über seine Situation nicht vergessen: Er hat selbst zu seiner Einweisung beigetragen.
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