Ich beschütze dich
es durch einen Spalt im Fenster, dass die Kerzen immer wieder ausgehen. Irgendwann kann ich ein paar Teelichter anzünden; sie verströmen ein sanftes, gelbes Licht, das einladend, sogar gemütlich wirkt.
Als das Bett gemacht ist, werde ich nervös. Wie soll ich Jez in die Garage bringen, ohne gesehen zu werden? Natürlich muss ich den Abend abwarten, bis der Pub geschlossen hat und die letzten Gäste gegangen sind. Und ich muss die letzten Tabletten von meiner Mutter benutzen. Genug, um ihn gefügig zu machen, allerdings nur so viele, dass er noch allein laufen kann.
Selbst dann ist nicht sicher, dass uns nicht Betty oder sonst ein Schlafloser oder Nachtschwärmer auf dem Fußweg sieht. Ich bringe ihn dazu, einen Anorak mit Kapuze anzuziehen. An einem Haken im Flur hängt einer, den Greg mal gekauft hat, wahrscheinlich für einen unserer Campingurlaube damals. Wenn er die Kapuze hochschlägt, wird niemand genauer hinsehen. Ich werde mich beeilen und Augen und Ohren offen halten.
In die Ritze unter dem Fenster stopfe ich einen Schal, um die Zugluft abzuhalten, gruppiere ein paar Teelichter auf einem Aktenschrank und zünde sie an. Draußen kommen Autos näher, das Scheinwerferlicht schimmert kurz in dem schmalen Spalt zwischen den Türen auf, als sie auf der Suche nach Parkplätzen um die Ecke biegen. Auch zu Fuß kommen Leute auf dem Weg zum Pub vorbei, sie unterhalten sich laut und aufgekratzt. Die Matratze fühlt sich klamm an, aber ich schlage sie mit der Bodenplane ein und beziehe das Bett mit der frischen Wäsche. Die Decke und die alten Federkissen staple ich auf dem Oberbett. Der Geruch von erdigen Wänden und Kreide dringt beißend durch die Dunkelheit. Alles wird so wunderbar sein, wenn er ein paar Tage ohne Licht verbracht hat. Er muss nur hierbleiben, bis Greg und Kit wieder gefahren sind. Danach wird das Musikzimmer in seinen Augen strahlen.
»Was soll ich den Leuten sagen?« Jez sieht mich so vertrauensvoll und unschuldig an, dass sich wegen dem, was bevorsteht, das schlechte Gewissen in mir regt.
»Was meinst du?«
»Na ja, ich kann ja schlecht erzählen, ich wäre in Ihrem Haus eingesperrt gewesen, oder? Das würde komisch klingen, auch wenn es wegen dieser Überraschungsgeschichte war. Ich will nicht, dass Sie oder Helen deswegen Ärger bekommen. Und was soll ich Alicia sagen?«
»Die Wahrheit. Dass du bleiben wolltest, Kontakte in der Musikbranche knüpfen, und ich es dir erlaubt habe.«
»Aber warum habe ich mich nicht gemeldet?«
»Jez! Hör auf, dir Sorgen zu machen. Du hast Zeit für dich gebraucht. So einfach ist das.«
Er schlürft einen großen Schluck von dem Tee, den ich ihm gebracht habe.
»Tut mir leid, wenn ich manchmal unhöflich war. Das war undankbar.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sage ich.
»Als wir uns am ersten Abend betrunken haben, habe ich sogar gehofft, Sie würden mir hier ein Zimmer vermieten. Wenn ich fürs College herkomme.«
»Wirklich?«
»Ja, klar! Helen hat mich an dem Nachmittag zusammengestaucht, deshalb dachte ich, sie will mich nicht bei sich haben. Ich dachte, hier könnte ich gut wohnen, aber Sie würden das nicht wollen. Dann bin ich etwas ausgerastet, weil ich eingeschlossen war. Ich habe das in den falschen Hals bekommen und war undankbar, und das tut mir leid.« Jetzt klingt er wieder selbstsicher, so wie vor beinahe einer Woche, als wir in der Küche saßen und Wein tranken. Es ist schön, ihn wieder entspannter zu erleben. In den letzten Tagen ist er zu ruhig gewesen. Zu eingeschüchtert.
»Wenn ich also sagen würde, du könntest bleiben …« Ich fühle mich, als hätte mein Herz einen Stromschlag bekommen und würde mich in eine andere Realität schleudern.
Jez verzieht den Mund zu einem breiten Lächeln. Zwei winzige Falten bilden sich, aber ihr Zucken verrät Nervosität, leichte Unsicherheit.
»Na ja, heute würde ich natürlich gerne nach Hause gehen. Ich habe Geburtstag. Und er ist schon fast vorbei. Wann gehen wir?«
»Bald.«
»Nicht jetzt?«
»Ein paar Sachen müssen noch vorbereitet werden.« Hoffentlich klinge ich nicht verletzt, weil er es jetzt doch so eilig hat, mich zu verlassen. »Geduld, Jez.«
Als ich wieder zu den Oberlichtern komme, sehe ich, dass die Tabletten wirken. Er liegt auf dem Bett und rekelt sich, als wolle er gegen den Schlaf ankämpfen, der ihn überkommt. Ich will so lange warten, bis die Wirkung langsam nachlässt, damit er bis zur Garage humpeln kann, aber nicht wach genug ist, um zu
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