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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Hancock
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begreifen, was genau geschieht. Leise öffne ich die Tür und betrete das Musikzimmer. Ich setze mich neben ihn auf das Bett.
    »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    »Ist es so weit, gehen wir jetzt?«
    »Noch nicht ganz. Mit einer Geschichte geht die Zeit schneller herum.«
    »Na gut. Meinetwegen.«
    Ich lege mich neben ihn, und er rückt zur Seite, um mir Platz zu machen.
    »Sie heißt Der Dreckspatz «, beginne ich. Ich streiche ihm über das Haar, und er schmiegt den Kopf in meine Hand. Ich streichle die zarte Haut an seinem Hals. Endlich gibt er nach. Draußen fällt immer noch dichter Regen. Es wird kalt im Musikzimmer. Ich ziehe die Bettdecke über uns und erzähle langsam mit beruhigender Stimme.
    »Es gab einmal einen Jungen, der fünfzehn Jahre alt war. Er lebte an der Themse, so wie ich, aber er hatte kein Zuhause. Er war so arm, dass er den Abfall durchwühlen musste, den die Flut anschwemmte. Jeden Tag ging er zweimal bei Ebbe zum Ufer und sammelte auf, was er finden konnte. Die Knochen der Ertrunkenen und Verwesten, Holzstücke, Altmetall. Manchmal fand er eine Münze oder einen Edelstein, aber nicht oft. Er hatte Freunde, die dasselbe taten, aber viele von diesen Strandläufern ertranken. Sie waren noch auf Schlammbänken im Fluss, wenn die Flut kam, und dann saßen sie fest und wurden von den unbarmherzigen Wassermassen mitgerissen.«
    Ich stocke. Er ist beinahe eingeschlafen, doch ich will die Geschichte zu Ende erzählen. Sie hat mir Tränen in die Augen getrieben. Ich schlucke, reibe mir die Augen mit dem Handrücken und erzähle weiter. »Dieser Junge, Edmund, hatte Glück. Er fand ein kleines Medaillon mit dem Gesicht von Königin Victoria, und er glaubte, es würde ihr gehören. Er fand, er sollte es ihr zurückgeben.
    Er machte sich auf den Weg zum Palast, aber die Wachen ließen ihn nicht vor. Er war ein Straßenjunge mit verdreckter Kleidung und zu großen Schuhen, die er am Ufer aufgelesen hatte. Edmund gab jedoch nicht so einfach auf, und er war wendig. Er kletterte über eine Mauer vor dem Palast und brach durch ein Fenster ein. Er fand Königin Victoria in ihrem Bett, als hätte sie auf ihn gewartet, und gab ihr das Medaillon. Die Königin trauerte immer noch um Prinz Albert, sie hatte ihr Zimmer monatelang kaum verlassen. Sie war so beeindruckt von seiner Geschichte und seiner Loyalität, dass sie zum ersten Mal seit Monaten, sogar seit Jahren ihre Trauer überwand. Sie sah durch die Lumpen und den Schmutz hindurch bis in die Seele des Jungen. Sein Mut und seine Selbstlosigkeit zeigten ihr, dass sich das Leben noch lohnte.«
    Ich verstumme. Jez hat sich bewegt, seine Lider flattern leicht, ein sanftes Lächeln umspielt seine Lippen.
    Es ist gegen drei Uhr morgens.
    »Jez. Wir müssen gehen. Du musst aufstehen und mitkommen. Los.«
    Seine Miene erhellt sich, aber er ist immer noch verwirrt und schläfrig. Sein Körper ist schlaff und träge. Ich bringe ihn dazu, seine Lederjacke und darüber Gregs riesigen Anorak anzuziehen, damit seine Jacke nicht nass wird. Als wir die Treppe hinuntergehen, halte ich ihn am Ellbogen fest. Im Flur sage ich ihm, er soll die Kapuze hochschlagen und neben mir hergehen. Ich öffne die Tür, und er folgt mir auf den Hof. Ich führe Jez hinaus in die Nacht.
    »Mmmh. Frische Luft!«, sagt er. Er lallt ein wenig. »Ach, danke. Danke!«
    Er war so lange nicht mehr draußen, dass er die Luft gierig einsaugt. Es riecht nach Seetang, eine wunderbare Besonderheit des Flusses, der Salz von der Mündung heraufträgt und daran erinnert, dass er zu wilden, offenen Meeren führt. Zu Meeren, die ihn versorgen und Fracht aus anderen Welten bringen, Fisch nach Billingsgate, Seide ins East End, Gewürze, Obst und Gemüse, Kaffee, Tabak, Baumwolle, Tee und Zucker. Dieser Fluss gibt großzügig und nimmt gierig. Ich unterschätze ihn nie.
    Jez sieht mich an.
    »Schön«, murmelt er. »Danke. Tut mir leid, wenn ich manchmal nicht mitgemacht habe. Es war nett, dass ich hier sein durfte.«
    Angespannt führe ich ihn über den Hof zur Tür in der Mauer. Mir ist klar, dass ich ihn nicht aufhalten kann, sollte er versuchen wegzulaufen. Ich muss mich auf seine Benommenheit verlassen und auf sein neu gefasstes Vertrauen zu mir. Aber dass er glaubt, ich würde ihn nach Hause fahren, weckt in mir ein ungutes Gefühl. Es gefällt mir nicht, ihn zu täuschen. Ich habe versucht, nicht zu lügen, und meist brauchte ich das auch nicht. Er hat geglaubt, was er glauben wollte.
    In dem

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