Ich beschütze dich
loswerde, kommt Betty aus einem der Häuser um die Ecke vorbei.
»Willst du entrümpeln?«, fragt sie. Ihr Atem steigt als Nebelwolke in die kalte Luft.
»Ich muss etwas Platz schaffen.« Hoffentlich schreckt sie meine knappe Antwort von weiterem Gerede ab.
Während sie mir zusieht, versuche ich, beschäftigt zu wirken.
»Wenn du den ganzen Krempel rausschaffst, kannst du das Auto reinstellen«, sagt sie. »Deine Mutter hat immer in der Garage geparkt – das ist sicherer als auf der Straße.«
Ich lächle. Ich parke immer auf der Straße und weiß, dass es für Betty ein Alptraum ist, aber ich verstehe nicht, warum es sie so sehr stört. Immerhin ist es doch mein Problem, wenn das Auto gestohlen wird. Sie betrifft das nicht. Sie zockelt bis zur nächsten Ecke, und ich sehe erleichtert, dass sie gleich verschwindet. Dann bleibt sie stehen und sagt:
»Nur gut, dass sie gesichert ist. Heutzutage passieren hier doch schreckliche Sachen. Ich fühle mich bald in meinem eigenen Haus nicht mehr sicher.«
»Das haben die Leute doch schon immer über diese Gegend gesagt«, entgegne ich. »Eigentlich hat sich nichts geändert, Betty. Wir haben Glück, dass wir am Fluss wohnen. Ich gehe nie von hier weg.«
In der Garage ist es kalt und klamm. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich Jez nicht aus seinem hübschen, lichtdurchfluteten Musikzimmer holen, wo er gemütlich sitzen und Gitarre spielen kann. Ich will ihn nicht wegsperren wie eine Leiche. Dann muss ich daran denken, dass man junge Kälber im Dunkeln hält, damit ihr Fleisch rein und zart bleibt. Es ist also eine Art Schutz. Und nur für zwei Tage, das kann meinem Jungen nicht schaden. Vielleicht tut es ihm sogar gut. Wichtig ist nur, dass er hier sicher ist. In meiner Obhut kann ihm nichts geschehen.
Ich packe einen Teil des alten Krempels aus der Garage in den Kofferraum und fahre ihn zur Müllkippe. Anderen Kleinkram trage ich zum Flusshaus. Gregs Stehleiter, die Hacke und das restliche Gartengerät verstaue ich hinten vor der Hofwand. Die Starthilfekabel, den Wagenheber und das Werkzeug räume ich in den Schrank unter der Treppe. Ich muss alles vorbereitet haben, ehe ich Jez sein Abendessen bringe. Dann kann ich mich entspannen und mit ihm zusammen sein, bevor wir losgehen müssen.
Nachdem ich die Garage aufgeräumt habe, kehre ich ins Haus zurück. Beim Durchsehen des Wäscheschranks umhüllt mich ein frischer Duft und katapultiert mich in die Vergangenheit, so dass ich einen Moment einfach stehen bleibe, die Nase im Stoff vergraben. In dem Schrank stapelt sich gefaltete Bettwäsche, die im Haus ist, seit ich denken kann, gestärkter, glatter Stoff voll Kindheitserinnerungen an Abende, an denen ich dicht eingemummelt zwischen frischen Laken einschlief. Dieses Gefühl von tiefer Sicherheit erfährt man im Leben nicht mehr oft.
Dann sehe ich ihn vor dem Eisenbett stehen. Spätwinter, so wie jetzt. Der Boden fast unmerklich geneigt, in der Luft ein Geruch, als regte sich etwas, würde von Neuem wachsen, und obwohl es noch nicht hell geworden war und das Zimmer im Schatten lag, herrschte am dunklen Himmel eine Art Leuchten, sogar morgens um sechs. Wir waren noch aufgekratzt von irgendeiner Unternehmung. Wo waren wir gewesen? Vielleicht auf dem Fluss? Mein Gesicht glühte. Meine Haut kribbelte. An Sebs Füßen klebte Matsch, also müssen wir am Ufer gewesen sein. Den Strand absuchen. Er ging ins Bad, und ich hörte das Wasser rauschen, als er sich die Füße abschrubbte. Ich lag auf dem Bett und wusste, was gleich kommen würde, voller Vorfreude und voller Angst davor, wie mächtig es war.
Das Zuschnappen der Badezimmertür, barfüßiges Tapsen auf den Dielen. Das leise Quietschen der Matratze, als er sich neben mich legte, den Kopf gegen das Fußteil gelehnt, während meiner auf dem Kissen mit dem frischen Leinenbezug lag.
Er drückte mir seinen großen Zeh in den Mund. Ich schmeckte Seife und noch einen Hauch des Matsches, den er versucht hatte abzuwaschen. Es war faszinierend – der Geschmack, das Gefühl, sein Fußnagel, der an meinem Gaumen kratzte. Ich saugte an seinem großen Zeh, und er lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ächzte zufrieden, bis wir unterbrochen wurden. Wovon? Das weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur vage, dass etwas Abruptes, ein Knall oder ein Scheppern, unsere Intimität störte und wir erschrocken unser Spiel beendeten. Seb stand auf und beschimpfte mich:
»Du bist eine durchgeknallte
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