Ich beschütze dich
Geschenken. »The Best of Tim Buckley« , sagt er. »Das ist ja cool. Genau die wollte ich. Oh, und ein paar DVD s. Danke, Sonia.« Er sieht mich an und versucht zu lächeln, aber er ist hin- und hergerissen.
»Hat Mum schon angerufen? Oder Helen?«
Als er schluckt, kann ich hören, wie sich der Speichel festsetzt, so trocken ist sein Mund. Er macht sich immer noch Sorgen darüber, nach Hause zu kommen.
»Mach doch nicht so ein trübsinniges Gesicht«, muntere ich ihn auf. »Du kannst dir die CD anhören oder einen Film sehen. Sieh mal, ich lege den hier ein. Ich muss noch ein paar Sachen erledigen, aber wenn ich zurückkomme, können wir gehen.«
»Gehen?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
Er reißt die Augen auf. Ihr Glanz kehrt zurück. Seine Gesichtsmuskeln entspannen sich, und seine ursprüngliche Schönheit, die der Schleier aus Angst und Schmerz zum Teil verdeckt hatte, tritt wieder zutage. Es versetzt mir einen kleinen Stich.
»Greg kommt auch bald nach Hause. Du kannst nicht bleiben, tut mir leid. Wir haben keinen Platz. Du musst deine Sachen zusammensuchen.«
»Ach so«, sagt er. Er kann die Freude, die über sein Gesicht huscht, nicht ganz verbergen. Ich sehe, wie seine Nasenflügel beben.
»Also haben Sie wirklich alle zusammen eine Überraschung ausgeheckt! Und jetzt schieben Sie als Ausrede vor, dass Ihr Mann nach Hause kommt! Sie müssen mir nichts mehr vormachen.« Er lehnt den Kopf bequem gegen die Kissen und seufzt. »Ich dachte mir doch, dass Sie und Helen und Alicia für mich eine Überraschungsparty planen! Aber dann habe ich überlegt, ob Sie wirklich so weit gehen würden. Ganz schön traurig im Nachhinein, ich weiß. Ich hatte Angst, hier wäre etwas Komisches los.«
»Etwas Komisches?«
»Na ja, so … Sie müssen schon zugeben, dass es etwas seltsam ist … die Schals, die verschlossene Tür …«
»Jez!«
»Ja, aber dann dachte ich, dass Sie auch echt der Hammer sind.«
»Der Hammer?«
»Cool. Nett zu mir, mit den Gitarren, dem Essen, dem Wein, den Kontakten, die Sie mir verschaffen wollen.«
»Natürlich. Ich wollte dir doch keine Angst machen, Jez.«
»Ich weiß. Jetzt verstehe ich das. Es ist nur – und das sage ich auch Helen –, es kam mir schon etwas verdächtig vor.«
Jetzt fühle ich mich schrecklich. Ich schüttle den Kopf.
»So was darfst du über mich nicht mal denken«, sage ich. »Hör mal, wir brauchen etwas Zeit, um alles vorzubereiten. Ich hole dich nachher ab. Genieß den Vormittag.«
Ich lasse ihn mit der Nacht des Jägers allein und eile den Fußweg entlang.
Unsere Garage liegt mit zwei anderen in einer Reihe, nur ein Stück den Fußweg hinauf. Man erreicht sie über eine kleine Straße, die wiederum zur Hauptstraße führt. Die Rückseite grenzt an den Fluss, zu dem es zehn Meter hinabgeht. Das einzige, winzige Fenster, gerade einmal dreißig Zentimeter breit, lässt sich nur so weit öffnen, dass Luft, aber kaum Licht hereinkommt. Es ist mit diesem Drahtgitter verstärkt, das mich immer an die Türen in Grundschulen erinnert. In der Garage riecht es nach Feuchtigkeit, Staub und Moder. Die Zeit reicht nicht, um sie richtig zu putzen, und in den dicken, alten Spinnweben hängen tote Spinnen in ihren eigenen Netzen. Beim genaueren Hinsehen erkenne ich, dass es keine ganzen Spinnen sind, sondern perfekt geformte Hüllen, als wären die Spinnen herausgeklettert und davonspaziert und hätten ihr nach außen gekehrtes Skelett zurückgelassen. Lange betrachte ich diese Kuriositäten. Vollkommene Nachbildungen ihrer Körper in ihrem eigenen Netz.
Unter den Möbeln, die ich hier verstaut habe, ist ein Kiefernbett, das ich nie mochte. Seit wir vom Land zurückgezogen sind, lagert es in der Garage, es lehnt an der Rückwand, die Matratze zum Schutz vor der Feuchtigkeit in eine Plastikfolie eingeschlagen. Nachdem ich die Büromöbel zur Seite gerückt und so Platz geschaffen habe, stelle ich das Bett mitten in die Garage. Den Aktenschrank und die Regale, den Drehstuhl und einen Stapel alter Vinylscheiben lasse ich dort, damit ein Hauch von Gemütlichkeit und Wohnlichkeit bleibt. Kits altes Bettchen kann auch bleiben, es liegt auseinandergenommen als Stapel in der Ecke. Aber die ganzen Werkzeuge, die Dosen Sprühfarbe, den Lack, eine Leiter und die Gartengeräte inklusive der Hacke muss ich wegschaffen oder woanders unterbringen.
Als ich in der offenen Tür stehe, mir einen Überblick verschaffe und überlege, wie ich das überflüssige Zeug am besten
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