Ich bin alt und brauche das Geld
ist der Horrortag, und ich würde sonst was drum geben, wenn er ohne mich stattfinden könnte. Ich hab mir sogar schon vorzeitige Wehen gewünscht, aber das fand ich dann doch ein bisschen unfair gegenüber HOTMAMIS Baby, denn es kann ja nichts dafür, dass es einen derart gefühllosen und gleichgültigen Großvater hat. Beziehungsweise gehabt hätte, denn er lebt ja nicht mehr. Ich hasse es, dass ich dafür zuständig bin, ihn unter die Erde zu bringen, aber mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Leider muss ich auch hingehen und alles vor Ort kontrollieren, die Urne, die Blumen, die Ansprache usw., denn wer weiß, was die mir sonst hinterher alles in Rechnung stellen. Aber es soll sich bloß niemand einbilden, ich würde die trauernde Tochter spielen! Ich bin sauer ohne Ende. Die Beerdigung kostet unverschämt viel, und ich muss alles vorstrecken, aber das Erbe kriege ich erst nach der Testamentseröffnung nächste Woche. Und ich hab immer noch kein passendes Outfit. Was soll man auch anziehen, wenn man fett ist wie ein gestrandeter Wal? Die schwarzen Umstandsleggins passen noch, aber von den öffentlichkeitstauglichen Oberteilen krieg ich keins mehr über den Busen, irgendwie ist der drei Mal so groß wie bei den beiden letzten Schwangerschaften. Vom Bauch ganz zu schweigen. Der Arzt meinte, das Baby sei normal entwickelt, aber ich habe Ausmaße, als wäre ich mit Godzilla schwanger. Ich habe echt keine Lust, mir für diesen einen Anlass jetzt noch extra ein grässliches schwarzes Umstandskleid zu kaufen. Egal – ich werde einfach dasselbe anziehen wie immer. Den Kindern binde ich vielleicht einen Trauerflor um, das entscheide ich spontan.
Kapitel 2
A m Tag von Klaus’ Beerdigung war der Himmel bedeckt, trotzdem trug ich eine große Sonnenbrille, denn ohne hätte ich fürchterlich ausgesehen. Morgens hatte mir aus dem Badezimmerspiegel ein Zombie entgegengeblickt, mit geschwollenen, blutunterlaufenen Augen und Falten von der Tiefe eines U-Bahn-Schachts. Sogar nach fünf Minuten eiskalter Dauerdusche sah ich noch aus wie ein Wesen aus einem Gully. Entsprechend gewaltig war mein Kater. Zum Frühstück nahm ich Aspirin und Alka Seltzer zu mir, doch es half nicht viel.
»Du musst da nicht hin«, meinte Doro, während sie mich mitleidig betrachtete. »Niemand würde sich wundern, wenn du nicht kommst. Außerdem kennst du dort sowieso niemanden.«
Damit sprach sie einen Punkt an, der mich schon früher irritiert hatte – Klaus hatte mich nie seinen Freunden und Bekannten vorgestellt. Als wir noch eine Fernbeziehung geführt hatten, wollte er unsere kostbare gemeinsame Zeit mit mir allein verbringen. Und kaum war ich bei ihm eingezogen, war es mit uns ja auch schon wieder vorbei gewesen.
Verwandte hatte er nicht, bis auf eine Tochter namens Jennifer, die jedoch schon vor Jahren den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte – laut Klaus war sie nicht damit klargekommen, dass er und ihre Mutter sich hatten scheiden lassen. Ich hatte ihm gut zugeredet, von sich aus wieder mit ihr Verbindung aufzunehmen, zumal es wohl auch mittlerweile ein Enkelkind gab. Er hatte es sich überlegen wollen. Das war der Stand kurz vor unserer Trennung gewesen.
»Niemand wird dir übel nehmen, wenn du nicht auf die Beerdigung gehst«, wiederholte Doro, während ich die Knöpfe von meinem schwarzen Kostüm schloss und mich im Dielenspiegel betrachtete. Mit der großen dunklen Brille und den streng zurückgebundenen Haaren sah ich halbwegs passabel aus, obwohl ich für meinen Geschmack zu viel von einer trauernden Witwe an mir hatte. Dabei trauerte ich ja gar nicht, jedenfalls nicht sehr. Klar, es tat mir leid, dass Klaus so früh gestorben war, im besten Alter sozusagen, aber den wirklichen Verlust hatte ich schon vor Monaten erlitten, als sich – sozusagen mit einem Urknall der Erkenntnis – meine bedingungslose Liebe in pures Grauen verwandelt hatte.
»Doch«, sagte ich. » Ich würde es mir übel nehmen.«
Ich hatte schon versucht, es ihr zu erklären, auch wenn sie Schwierigkeiten hatte, es zu verstehen: Ich wollte zu der Beerdigung, um endgültig mit der Vergangenheit abzuschließen. Nach allem, was passiert war, wollte ich nicht nur Klaus zu Grabe tragen, sondern quasi symbolhaft auch alle negativen Gefühle. Und davon gab es eine Menge, vor allem seit der Räumung, die meine Finanzen für immer ins Nirwana befördert hatte.
»Vielleicht ist es wirklich genau die Art von Genugtuung, die du brauchst«, sagte Doro nachdenklich. »Ich
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