Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
Vom Netzwerk:
gleich.«
    Mattie verabschiedete sich von ihm und folgte Georgia und Holly den Flur hinunter. Als sie in den Fahrstuhl stiegen, erklärte Georgia Holly, wohin sie wollten und warum. Sie gingen kurz im Restaurant des Hotels vorbei und nahmen sich ein paar Croissants und Wasserflaschen mit, und dann führte Georgia die Mädchen nach draußen und hielt ein Taxi an. Sie bat den Fahrer, sie zu dem Wasserfall zu bringen, und die Stadt zog an ihnen vorbei. Sie sah die alte Brücke und fand sie schön. Der Wald kam als Nächstes, und die Pinien rochen am Morgen stärker, bevor der Wind ihren Duft wegtrug.
    Das Taxi setzte sie ein paar Hundert Schritte von ihrem Ziel entfernt ab. Als sie einem Weg folgten, sahen sie den Wasserfall bald vor sich, viel größer, als Mattie ihn in Erinnerung hatte, schoss er über einen Felsvorsprung weiter oben und war auf beiden Seiten von Bäumen und Büschen umgeben. Der Wasserfall war mindestens fünfzehn Meter breit und noch mal fünfzehn Meter hoch. Darunter prasselte das Wasser auf moosbedeckte Felsen, die so groß waren wie Lastwagen.
    Mattie dankte Holly und Georgia und ging auf die Felsen zu. Sie dachte an die Bitte ihrer Mutter, war sehr konzentriert, ging mit entschlossenen Schritten. Sie wollte etwas Schönes schaffen, etwas, das man vom Boden und auch vom Himmel aus sehen konnte. Am Abend zuvor, nachdem Holly endlich eingeschlafen war, hatte Mattie darüber nachgedacht, was sie zeichnen könnte. Und Bilder waren vor ihrem inneren Auge erschienen, wundervolle Ideen, die ihr auf die gleiche Weise zugeflogen waren wie jedem großen Künstler. Sie sah herrliche Pracht und wusste, dass sie diese neu wieder auferstehen lassen konnte, und jetzt, wo sie sich den Felsen näherte, wurden ihre Schritte schneller. Sie setzte ihren Rucksack ab, griff hinein und holte eine Dose mit bunter Straßenkreide heraus. Nachdem sie einen trockenen Felsen abgewischt hatte, sodass keine Zweige oder alte Blätter mehr darauflagen, beugte sie sich vor und fuhr seine Konturen nach, fühlte seine Oberfläche.
    Das erste Bild, das Mattie schuf, war einfach – ein Kirschbaum in voller Blüte, der sich über einen Fluss neigt. Während sie arbeitete, sah sie, dass Holly und Georgia zu den Felsen in der Nähe gegangen waren und sie säuberten. Mattie lächelte, sagte jedoch nichts. Ihre Hand war ständig in Bewegung, Kreide färbte die Felsen und ihre Finger bunt. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Bäume in Kyoto, in der Nähe des Flusses, und sie erweckte die Bäume wieder zum Leben. Sie bedeckten den ganzen Felsen, und sie ließ die rosa Blüten offen sein und fallen, und in ihrem Fluss spiegelten sich die Bäume.
    Mattie ging zum nächsten Felsen hinüber und holte ein dickes, brandneues Stück weiße Kreide hervor. Sie schloss die Augen, stellte sich das Tadsch Mahal vor – die Kuppel, die in der Sonne glänzte, den Himmel, so blau und alt. Ihre Hand bewegte sich erneut, fast wie von selbst, und sie schuf das Tadsch neu, Teil für Teil, Traum für Traum. Sie lächelte, während sie arbeitete, glaubte, dass ihre Mutter ihr zusah und ihre Hand führte. Deshalb bewegte sie sich so frei, wie die Taube, die sie freigelassen hatten.
    Die Berge von Nepal kamen als Nächstes, ihre Gipfel schneebedeckt und unten dominiert von grünen Feldern und Blumenwiesen. Mattie malte danach das Langboot in Thailand, das Mädchen, dem sie in den Bug geholfen hatten. Rupi war ihr fünftes Werk. Sie zeichnete ihn in seinen neuen Kleidern, wie er auf dem Ast eines Baumes saß und sie anlächelte. Sie konnte mit der Kreide nicht zu detailliert werden, aber sie fing sein Lächeln ein, die Freude, die aus seinem Gesicht strahlte.
    Sie trat vor einen großen Felsen, den Georgia und Holly gerade sauber gemacht hatten. Als Mattie sich vor dem Felsen niederließ, kniete Georgia sich hin und steckte eine weiße Wildblume hinter Matties Ohr, dann gab sie ihr einen Kuss auf den Kopf und zog sich zurück.
    Matties Kreidestücke waren zu Stümpfen zusammengeschrumpft, deshalb beschloss sie, von der Stadt Hongkong nur den Umriss zu zeichnen, so wie sie von den Bergen um sie herum aussah. Den Hafen, die Wolkenkratzer, die Erhabenheit der Stadt erschienen auf dem Felsen. Endlich zufrieden ging Mattie zu einem weiteren Felsen, auf den sie einen See zeichnete. Dann fügte sie gelbe Punkte – Glühwürmchen, die sie aus ihrer Erinnerung an den Abend, den sie niemals vergessen würde, neu erschuf. Vier Figuren entstanden neben dem See. Zwei

Weitere Kostenlose Bücher