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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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noch einmal, dann bat sie Ian, die angehängten Fotos zu öffnen. Zuerst kam ein Bild von Mattie und Holly, auf dem sie knöcheltief im Meer standen. Als Nächstes ein Schnappschuss von allen vieren im Temple Club in Ho-Chi-Minh-Stadt. Das dritte Foto zeigte Mattie und Holly beim Glühwürmchenfangen. Und das vierte wieder die Mädchen in ihren neuen Kleidern.
    Mattie beugte sich vor. Ian tat das auch und sah, wie Mattie auf den Fotos lächelte, dass sie mehr wie ein kleines Mädchen aussah als jetzt gerade. Er wirkte auch glücklich auf dem Bild im Restaurant neben Georgia. Er sah Georgias Hand auf dem Tisch und erinnerte sich daran, wie er sie gehalten hatte, erinnerte sich an die Wärme ihrer Haut an seiner.
    Nachdem sie Holly geantwortet und dem Leiter des Waisenhauses noch eine Nachricht geschickt hatten, gingen Mattie und Ian zurück in ihr Zimmer, zogen ihre Schlafanzüge an und legten sich ins Bett. Er erzählte ihr eine Geschichte von einem kleinen Mädchen, das einen verletzten Falken wieder gesund pflegte. Dann gab er ihr einen Gutenachtkuss, lächelte, als sie ihren Kopf auf seine Brust legte, und versuchte, sich selbst einzureden, dass alles gut werden würde.
***
    Ungefähr achthundert Kilometer südlich von Kairo und nur ein paar Kilometer vom großen Assuan-Staudamm entfernt, saßen Mattie und Ian oben auf einem alten Hundert-Passagiere-Kreuzfahrtschiff. Auf dem Dach standen einige Tische und Stühle, und überall lag künstlicher Rasen, der dem von Minigolfplätzen ähnelte. Das Gras war von der unbarmherzigen Sonne ausgeblichen, genauso wie der Rest des Schiffs. Das Boot war wenig mehr als ein weißes Rechteck mit einem spitzen Bug und ragte zwei Stockwerke hoch aus dem Wasser. Es gab Kabinen mit Blick auf das Wasser und einen großen Speise- und Unterhaltungsbereich. Eine Bauchtänzerin amüsierte unten die Passagiere, während andere Touristen sich auf dem Dach versammelten – Fotos machten, ihre Drinks tranken und ihre Hüte festhielten, weil ein warmer Wind um das Schiff strich.
    Der Nil wirkte in der Nähe des Assuan ganz anders als in Kairo. Der Fluss sah hier nicht breiter aus, aber das Wasser schien tiefer und hatte die Farbe der Dämmerung. Er war hier ungefähr achthundert Meter breit und wurde flankiert von einer grünen Landschaft voller Felder und Palmen. Diese Gegend, versorgt von einem tausend Jahre alten Bewässerungssystem, reichte vom Ufer aus nur einen Steinwurf weit ins Land hinein. Wo das Bewässerungssystem aufhörte, begann sofort die Wüste, die grünen Felder wurden innerhalb weniger Schritte zu Sand. Kahle Berge erhoben sich in der Ferne. Während man Häuser aus Sandstein entlang des Flusses sehen konnte, schien in den Bergen nichts zu existieren. Sie wirkten so tot, wie der Nil lebendig war.
    Überall auf dem Wasser verteilt schwammen Felucken, die so alt aussahen wie die fünftausend Jahre alte Zivilisation, die dort noch immer in voller Blüte stand. Die Felucken waren aus Holz, ihr Mast ragte gut zehn Meter in die Höhe und hielt dünne Stoffsegel. Obwohl die Boote plump wirkten und mit Seilen und Ladung vollgestopft waren, segelten sie elegant stromaufwärts und stromabwärts über den Nil. Die Boote wirkten nicht viel anders als die Kamele am Ufer – beide waren braune Kreaturen, beschwert mit Lasten, abgenutzt und ausgefranst und dabei doch ein Teil der Wüstenlandschaft.
    Obwohl Mattie die Pyramiden gefallen hatten und sie sie riesig und wunderschön gefunden hatte, fuhr sie lieber auf dem Nil und sah in die Wüste hinaus. Die Pyramiden waren voller Touristen, Händler und Sicherheitsbeamten mit automatischen Waffen gewesen. Während sie den Anblick bestaunte, hatte sie sich auch gehetzt und belästigt gefühlt und überhaupt kein Bedürfnis verspürt, ihren Skizzenblock herauszuholen.
    Auf dem Nil jedoch hatte sie das Gefühl, wirklich in der Zeit zurückgereist zu sein, mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt ihrer Reise. Der Nil musste so alt sein wie die Welt selbst, da war sie sicher, während sie Kamele am entfernten Ufer trinken sah. Sie dachte an den Ganges und erinnerte sich, wie die Hindus die Asche ihrer verstorbenen Verwandten ins Wasser geschoben hatten, damit deren Reise zur Wiedergeburt beginnen konnte.
    »Werfen die Ägypter auch die Asche der Menschen in den Nil?«, fragte sie und wandte sich wieder ihrem Vater zu, froh darüber, dass sie mehrere Tage und Nächte auf dem Schiff verbringen und bei berühmten Tempeln und Gräbern Halt machen würden,

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