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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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mich aber gerechtfertigt, als ich das einzige Gepäckstück eines speziellen Pilgers sah – eine über die Schulter geworfene spanische Fahne.
    Eine aufgeregte Frau trat mit einem cortado aus dem Café und kam die Treppe herunter.
    »Catalina! Hallo! Sieh dir das an! Ich halte das nicht aus, du?«
    »Der reinste Zirkus. Gestern Abend habe ich mich in einem Lokal versteckt und in einer ruhigen Herberge neben der Brücke übernachtet. Ich habe mich abseits gehalten.«
    »In Palas wird es genauso zugehen. Wenn es mir zu voll ist, gehe ich vielleicht bis in den nächsten Ort.«
    Catalina erwog, das Gleiche zu tun, und starrte traurig den nicht enden wollenden Menschenstrom an. Ich fühlte mich dadurch bestätigt, dass diese äußerst warmherzige Pilgerin über die Störung unseres Camino ebenso aufgebracht war wie ich. Allerdings reagierten wir darauf sehr unterschiedlich. Ich konnte nicht umhin anzuerkennen, dass die Enttäuschung meiner italienischen Freundin eher an die heilige Bernadette erinnerte, während meine … na ja … eher von John McEnroe inspiriert war.
    »Ciao, Bella!«, verabschiedete sich Catalina, kippte ihren schwarzen Kaffee in einem Schluck hinunter und reihte sichnach unserem Boxenstopp gekonnt wieder in eine Lücke des Grand Prix von Santiago ein.
    Ich war also nicht die einzige Pilgerin, die sich in Portomarín in einem Restaurant versteckt hatte. Ich bestellte ebenfalls einen cortado , und in jedem Café, auf das ich von nun an stieß, ebenfalls. So kam ich zwar langsamer voran, aber da die schöne Landschaft nicht mehr schön und der Camino nicht mehr der Camino war, musste ich in regelmäßigen Abständen Zuflucht vor dieser neuen Realität suchen.
    Die von Fetthenne und Moos überwucherten Steinmauern zwischen Feldern voller wiederkäuender brauner Kühe hatten Ziegelfabriken und Massentierhaltungen Platz gemacht. Der Steinplattenweg unter windgebeugten Eichen und Kastanienbäumen war zu einem Kiespfad entlang der Hauptstraße nach Palas de Rei geworden. Bei gelegentlichen Umleitungen durch Kiefernalleen erhaschte man verlockende Blicke auf die landschaftliche Schönheit, die bei Eirexe endlich wieder hergestellt war. Die verbleibenden sieben Kilometer verliefen zwar auch noch auf einem asphaltierten Gehweg neben der Straße, doch jetzt waren die Hügel hinter den Maisfeldern deutlich zu erkennen. Jenseits der Straße wiegte sich etwas im Wind, das mir bekannt vorkam. Ganz sicher war ich mir nicht, aber es sah doch sehr nach Weizen aus.
    In Palas de Rei wimmelte es vor lauter Pilgern, die alle von Portomarín gekommen waren. Sie waren überall – tranken Bier al fresco , lagerten auf dem Rasen vor der Kirche oder sperrten ihre Fahrräder an Geländer. Ich folgte dem gelben Pfeil eine Steintreppe hinunter und ging bis zu einem archetypischen galicischen hórreo vor einem Wellblechschuppen. Er thronte inmitten eines Gartens voller Bohnen und Rosen auf Betonstelzen über mir. Ich stellte meinen Rucksack auf einem Stapel kaputter Ziegel ab, richtete darauf meine Kamera aus und lief los, um unter den Holzlatten und dem Ziegeldach des hórreo ein Selbstporträt aufzunehmen. Robert Mapplethorpe kann weiter in Frieden ruhen – mein Selbstporträt kann es nicht im Entferntesten mit seinem Genie aufnehmen: Der hórreo saß total schief im Bild und machte den Eindruck, als würde ergleich seinen Inhalt über meinem stecknadelgroßen Kopf ausschütten. Ich stellte gerade mühevoll meine Kamera auf dem behelfsmäßigen Stativ um, als eine Frau, wie von einer Kanone in Palas abgeschossen, mit einem dumpfen Aufprall neben mir landete.
    »Komm, ich mache das Foto«, bot sie an.
    Ich lächelte in die Kamera, sie lächelte mich an und ihr Ehemann lächelte sie an.
    »In Ordnung so?«, fragte die Pilgerin.
    »Oh ja, vielen Dank! Wunderbar! Sie hätten das erste sehen sollen!«
    Ich stand gerade, der hórreo war im Lot und der Himmel blau. Perfekt.
    Die beiden waren aus Valencia und arbeiteten bei der Polizei. Sie hatten vor, noch bis ins fünfzehn Kilometer entfernte Melide zu gehen. Aber sie wollten seltsamerweise nicht erkannt werden, weder heute noch zu einem anderen Zeitpunkt.
    »Viele Leute in Spanien hassen uns«, erklärte Carmen.
    »Aber ihr seid doch so nett!«, rief ich verständnislos.
    »Wir sind bei der Polizei«, erklärte Andrés. »Und die Polizei ist nun mal nach wie vor nicht sehr beliebt.«
    »Das ist doch lächerlich! Franco lebt schließlich nicht mehr, oder? Heutzutage ist die Polizei

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