Ich bin da noch mal hin
heiße.
A Coruña
Pontecampaña – Santiago de Compostela
Mittwoch, 14. Juli 2010
Pontecampaña - Ribadiso de Baixo | 21,5 Kilometer
Donnerstag, 15. Juli 2010
Ribadiso de Baixo - Arca O Pino | 21,5 Kilometer
Freitag, 16. Juli 2010
Arca O Pino - Santiago de Compostela | 20,3 Kilometer
Samstag, 17. Juli 2010
Kathedrale von Santiago de Compostela
Mittwoch, 14. Juli 2010
Ich wandere 21,5 Kilometer von Pontecampaña nach Ribadiso de Baixo
Die Verpflegung auf dem Camino ist von Unterkunft zu Unterkunft verschieden. Einige städtische und klösterliche Herbergen bieten ein Frühstück, aber kein Abendessen an, während es anderswo beides gibt. Im Allgemeinen kann der Pilger in kommerziellen Quartieren, die häufig auch andere Gäste aufnehmen und sowohl über Zimmer als auch über Schlafsäle verfügen, eher damit rechnen, beide Mahlzeiten zu bekommen. Die großen Unterschiede erklären, warum Pilger so viele fröhliche Stunden in Cafés verbringen, und tragen zu der gespannten Erwartung bei, mit der man dem nächsten Essen entgegensieht. Dass ich allerdings heute um zehn Uhr vormittags in Melide Tintenfisch essen würde, hätte ich nie gedacht.
Die Herberge Casa Domingo in Pontecampaña nimmt ihren Betrieb erst um neun Uhr auf. Vor neun Jahren hätte ich geschlafen, bis Croissants und Kaffee serviert wurden. Doch diese Zeiten sind vorbei, und ich verlasse den Schlafsaal heute Morgen um 6 Uhr 45 mit leerem Magen. Schwarze Wolken hängen über der dunstigen Landschaft, und dass es bei Sonnenaufgang kalt und dunkel bleibt, lässt nichts Gutes ahnen. Aus dem mit Felsplatten und Baumwurzeln durchsetzten Pfad ist ein Bach geworden. Es ist eine Erleichterung, von dem gefährlich schlüpfrigen Weg durch den Eichenwald auf die Pflasterstraße nach Leboreiro zu kommen. Pilger, die in Palas de Rei losgegangen sind, hetzen an mir vorbei, als ich während eines plötzlichen heftigen Schauers unter einer Eiche meinen Regenumhang hervorkrame.
Das Café in Leboreiro ist brechend voll – lauter fröstelnde Pilger mit verkniffenen Gesichtern und zerknitterten Umhängen, von denen das Wasser rinnt. Ich esse am Tresen meinen Kuchen im Stehen, bis die drei sevillanos aus Pontecampaña an ihrem langen Tisch zusammenrutschen, damit ich Platz finde. Sie gehören einer Gruppe an, die zunehmend meine schwächelnde Abwehr überwindet – den »Sarrianern«. Aber sie zählen auchzur Kategorie »Die flüchtige Begegnung«; das sind Pilger, mit denen ich mich rasch verbunden fühle, denen ich aber selten begegne. Wir diskutieren die Massenbewegung, die in Sarria ihren Anfang genommen hat, und sie geben zu, dass sie für heute Abend in Arzúa gebucht haben. Ich tue gleichgültig und ziehe Wims zerfledderte Herbergsliste aus der Tasche. Drei Kilometer vor Arzúa liegt ein anderer Ort, Ribadiso de Baixo. Dort werde ich heute Nacht schlafen.
Nur ein paar Schritte von dem Café entfernt ist eine von zwei Engeln flankierte Maria mit dem Jesuskind aus dem 14. Jahrhundert in das steinerne Tympanon der kleinen Kirche Santa María gehauen. Jesus sitzt nicht wie meist auf dem Schoß seiner Mutter, sondern er steht, als könnte er es kaum erwarten loszugehen. Er weiß so gut wie ich, dass wir gerade die Grenze nach Lugo passiert und die letzte Provinz des Camino betreten haben – A Coruña, zu der Santiago de Compostela gehört. Eine Hinweistafel für Touristen vor der Kirche informiert, dass wir nur noch achtundfünfzig Kilometer vor uns haben, und ermahnt uns: »Genießen Sie jede Etappe und vergessen Sie nicht, sich die Stempel zu holen, damit Sie in Santiago de Compostela ihr obsequio (Geschenk) abholen können. Gute Reise!« Der Hinweis, wir sollten unsere Pässe stempeln lassen, kommt ein bisschen spät. Aber die »Sarrianer« sind vielleicht froh darüber, immer wieder daran erinnert zu werden, wie es auf dem Camino läuft. Wir anderen wissen ja längst Bescheid.
Die eigentümlich gepflasterte mittelalterliche Route verläuft zwischen efeubewachsenen Steinmauern und über zwei alte Brücken in Disicabo und Furelos, einem Dorf mit Häusern aus grob behauenen Steinen mit roten Dächern, das sich wohl seit Jahrhunderten nicht verändert hat. Die Wiesen und Eichenwälder jenseits der Mauern sind von wilder Heide und Farn überwuchert, die es jedoch nicht ganz schaffen, das sichere Anzeichen moderner Urbanisierung zu verbergen – ein Gewerbegebiet in Fertigbauweise. Klar, der Camino ist bald zu Ende, aber muss die richtige Welt sich jetzt
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