Ich bin dann mal alt
nur noch einseitig sein Fachgebiet durchdringen will und sich für nichts anderes mehr interessiert, ist dabei hoch gefährdet. Schon eine Sehschwäche wirft ihn aus der Bahn, weil er sein bisheriges Leben fast nur vor dem Computer oder am Mikroskop verbracht hat – mit dem zunehmenden Verlust des Augenlichts verschwindet auch seine Lebensperspektive. Wie sehr sich so jemand abkapseln kann, seine Beziehungen zu anderen Menschen kappt und sich aus dem Leben zurückzieht, zeigt dann ein Blick in sein Arbeitszimmer: Auf dem Boden, auf Stühlen, in Regalen, in Schränken und auf dem Schreibtisch liegen Stapel von Zeitschriften, Büchern und Zetteln, die er über Jahrzehnte wild gesammelt hat. Doch außer ihm weiß niemand, wo
was zu finden ist. Es herrscht Chaos! Dem Nachfolger dieses erblindeten Forschers wird eines Tages nichts anderes übrig bleiben, als das wissenschaftliche Sammelsurium in den Müllcontainer zu werfen.
Auch alte Menschen neigen zur Sammelwut. Sie tragen in ihrer Wohnung die merkwürdigsten Gegenstände zusammen, heben alles auf in der Annahme, dass sie diese Dinge irgendwann einmal brauchen. Dieses Messie-Syndrom führt dazu, dass sich in der Wohnung jede Ordnung auflöst. Mit dem wachsenden Chaos in den Zimmern »vermüllt« auch der Mensch. Deshalb ist es in jeder Phase des Lebens wichtig, seine Lebensrhythmen zu beachten, sonst zerbricht die Ordnung. Erst die Rückkehr zu einem gesunden Rhythmus gibt dem Menschen Harmonie und Ausgewogenheit zurück.
Viele machen am Ende ihres aktiven Berufslebens einen großen Fehler. Kaum sind sie Rentner, stürzen sie sich in Aktivitäten: Senioren-Turnen, Schrebergarten, Fitness-Studio oder ein Vorstandsamt im Verein – mit ihrer Hyperaktivität setzen sie den alten Stress auch im Ruhestand fort. Sie könnten von den Benediktinern lernen, die solche abrupten Übergänge nicht kennen, denn die Mönche gehen nicht in Pension. Ihr ganzes Leben ist im Idealfall ein ausgewogener Rhythmus, der bestimmt wird von den Zeiten für Arbeit und Gebet, für Bewegung und Ruhe, fürs Essen und den Jahreslauf. Aus dieser Lebensordnung scheidet ein Mönch auch nicht mit 65 aus, wenn »draußen« die Gleichaltrigen von einen Tag auf den anderen in Rente gehen müssen. Der Benediktiner wird sein Leben in angemessener Weise auch im Alter weiterführen, nur geruhsamer und bedächtiger als früher. Sein Leben im Alter ist keinesweg langweilig oder einsam, sondern voller Sinn und Kreativität.
Eine schöne Bescherung
Der Heilige Abend ist ein Fest der Familie. Alles soll wie am Schnürchen laufen, alle sollen sich wohlfühlen. Aber das Besondere eines solchen Abends kommt auch manchmal durch die Hintertür …
Hermann, seine Frau Anita und die beiden Kinder hatten, wie jedes Jahr, ein paar Verwandte in ihr kleines Haus am Stadtrand eingeladen. Hermanns Schwiegermutter, seine beiden Brüder und sein Schwager Rüdiger mit ihren Familien waren gekommen. Rüdiger hatte einen Überraschungsgast mitgebracht : Nero. Der große schwarze Hund war, wie Rüdiger erzählte, gerne in Gesellschaft und bekam regelmäßig Wutanfälle, wenn man ihn alleine zurückließ. »Erst vor zwei Wochen hat er unser schönes Biedermeier-Sofa zerlegt«, klagte der Rüdiger, versicherte aber den Hausherren, die erschrocken dreinblickten, sogleich: »Sonst ist unser Nero ein ganz braver und folgsamer Hund.«
Pünktlich um sieben begann die gemeinsame Bescherung. Voller Vorfreude und Spannung wartete die Familie darauf, dass der Hermann endlich mit der kleinen Glocke läuten und die Tür zum Wohnzimmer öffnen würde. »Kling, kling«, ertönte es und alle drängten hinein in die Stube, am schnellsten aber war Nero. Wie ein Blitz schoss der schwarze Hund durchs Zimmer, setzte zum Sprung an und landete mitten im Geschenkeberg unter dem Christbaum – und zwar genau vor dem rot-weiß karierten Stoffsäckchen, aus dem der verlockende Duft einer ungarischen Salami strömte. Die wollte Anita ihrem Hermann zum Fest schenken, aber der Hund war der irrigen Meinung, dass das Christkind die Salami allein für ihn mitgebracht hatte.
Und wenn der Nero eine Wurst riecht, ist mit ihm nicht zu spaßen.
Das merkten auch die anderen recht schnell: Sobald jemand die Hand nach einem Päckchen unter dem Christbaum ausstreckte, fing Nero wütend zu bellen an und fletschte gefährlich die Zähne – sein Geschenk sollte ihm keiner mehr wegnehmen! »Es hat keinen Zweck, wir kommen jetzt nicht an die Geschenke ran«, sagte der
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