Ich bin dann mal alt
mehr, als sich schnell zu waschen. Du kleidest dich an, auch das ist mehr, als nur in die Klamotten zu springen. Anschließend setzt man sich an den Tisch und genießt mit Bedacht das Frühstück. Wir Menschen brauchen für diese ersten Tätigkeiten am Tag Ruhe und Zeit, damit wir unsere Aufmerksamkeit zu uns selbst hinwenden.
Da gibt es auch noch das Morgengebet, das heute gern als altmodisch abgetan wird. Aber mit dem Morgengebet hast du die wunderbare Möglichkeit, dich bewusst in den großen Zusammenhang der Schöpfung einzufügen. Wer nicht beten will, kann auch einen guten Text lesen oder eine Körperübung machen. Es muss nicht unbedingt etwas Religiöses sein.
Am Abend ist es sinnvoll, den Tag nicht einfach auslaufen zu lassen, sondern ihn zu reflektieren und all das, was geschehen ist, noch einmal in Gedanken zurückzuholen. Aber man sollte die einzelnen Ereignisse nicht bewerten, sondern sie nur betrachten und annehmen: So war es halt. Es bringt wenig, wenn wir bestimmten Dingen nachtrauern, denn sie sind vorbei. Viele führen diese Reflexion als Ritual durch: Sie zünden eine Kerze an, setzen sich 20 Minuten hin und betrachten den zurückliegenden Tag. Andere kommen nach Hause, legen gute Musik auf und genießen sie für einige Zeit. Wieder andere setzen sich erst einmal hin, meditieren oder kümmern sich um ihre Blumen, gießen sie, betrachten sie, berühren sie, sprechen vielleicht mit ihnen.
Manche Menschen lassen den Tag auch – ganz konkret oder nur in ihrer Vorstellung – mit einem schönen Bild ausklingen: Sie sitzen auf einer Bank hinterm Haus und blicken ins Licht der untergehenden Abendsonne.
Der neue Tag beginnt am Abend vorher
Die abendliche Reflexion rundet die Werke des Tages wunderbar ab, und zugleich ist sie der Anfang für den nächsten Morgen. Ganz ähnlich ist es mit den Menschen im Alter: Der Lebensabend symbolisiert bereits einen neuen Beginn – mit der hoffnungsvollen Perspektive, dass es eine Zukunft in anderer Form gibt. Einen Menschen, der eine solche Einstellung in sich trägt, kann der Tod nicht erschüttern. Wer in dem Glauben an die Unsterblichkeit durch die Welt geht, weiß, dass die untergehende Sonne morgen wieder aufsteigt, er lebt in Hoffnung und Zuversicht. Deshalb ist es wichtig, am Abend noch einmal den scheidenden Tag zu betrachten, mit seinen Erfolgen und Misserfolgen, mit den Freuden und Enttäuschungen, mit den Stunden des Glücks und der Trauer. Es macht auch Sinn, bei dieser abendlichen Rückschau mit dem zu Ende gehenden Tag Frieden zu schließen und sich mit allem, was er gebracht hat, zu versöhnen. Das bewusste Abschließen des Tages sollte zum Ritual werden, das wir jeden Abend wiederholen und das uns auf den Schlaf, auf die Nacht vorbereitet.
Schlaf ist nicht »nichts«
Der Mensch liegt ein Drittel seines Lebens im Schlaf. Viele betrachten das als notwendiges Übel, übersehen jedoch, dass im Schlaf etwas Wichtiges passiert. Denn Schlaf bedeutet sowohl für den Leib (Ruhe) als auch für die Seele (Träume) Erholung und Regeneration. Der Mensch liegt im Laufe seines Lebens 25 bis 30 Jahre im Schlaf. Dabei macht sein Körper lebenswichtige Prozesse durch, indem er entspannt, träumt und sich neue Kraft holt. Schlafen ist ein unbewusster Zustand, Wachsein ein bewusster
– der Mensch braucht beides. Wie bedeutend ein geregelter Wach- und Schlafrhythmus ist, wird auch klar, wenn man bedenkt, dass der Schlafentzug eine der brutalsten Foltermethoden ist. Schlaf ist also nicht »nichts«. Er muss nicht zusammenhängend an einem Stück erfolgen, sollte jedoch einem Rhythmus unterliegen. Welcher Rhythmus gut ist, kann jeder für sich selbst herausfinden, wenn er auf die Zeichen seines Körpers und seiner Seele achtet. Die Folgen von zu wenig Schlaf sind Unruhe, Nervosität oder schlechte Laune.
Eine wunderbare Möglichkeit, sich in den Schlaf zu begeben, ist, sich einen bestimmten Traum zu wünschen. Manche halten das für ein Hirngespinst, aber Therapeuten, die ihre Patienten dazu ermuntern, haben damit schon wahre Wunder bewirkt. Wer tagsüber ein Problem hatte, das am Abend immer noch ungelöst ist, kann vor dem Einschlafen darum bitten, dass er einen Traum erlebt, der ihm ein Lösungsmodell zeigt. Oft steht dieser Mensch am nächsten Morgen auf und weiß, wie er handeln muss. Ein Zustand der »inneren Gewissheit« ist über Nacht bei ihm eingetreten und häufig löst er sein Problem dann anders, als er es allein mit dem Verstand getan hätte. Es ist
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