Ich bin dann mal alt
Fischer-Trio
»Nobody is perfect« – schon gar nicht der Lebenskünstler Rudi Fischer. Er begeisterte seine Mitmenschen vor allem als Musiker, wenn er mit seinen drei Instrumenten – Akkordeon, Mundharmonika und Trommel – auftrat. Natürlich gibt es Musiker, die noch mehr Instrumente beherrschen, aber Rudis Spezialität war, dass er alle drei gleichzeitig spielen konnte: Vor dem Bauch zog er das Schifferklavier, die Mundharmonika war an einem Drahtgestell vor seinem Mund befestigt und auf dem Rücken hatte er eine große Trommel aufgeschnallt, auf die wie von Geisterhand ein hölzerner Schlegel drosch, sobald der Rudi mit dem rechten Fuß auf ein Pedal trat. Dank dieses seltenen musikalischen Dreiklangs war Rudi Fischer in seiner Heimat als das »Fischer-Trio« bekannt und brachte auf Dorffesten seine Glanznummern zu Gehör, dass die Gäste im Saal vor Begeisterung tobten: »Die Fischerin vom Bodensee«, »La Paloma« und das beliebte Stück aus dem fränkischen Grenzland »Bum-bum-bum, die Russn kumma«.
Alle kannten und liebten das »Fischer-Trio«. Der neue Vergnügungsvorstand des Schützenvereins, ein erst kürzlich zugezogener Berliner, hatte noch nie etwas von Rudi und seinem sensationellen Trio gehört. In seiner neuen Funktion als Vergnügungsvorstand sollte er den Schützenball ausrichten. Er schrieb also mehrere Tanzkapellen an und dabei fiel ihm auf, dass das »Fischer-Trio« mit Abstand am billigsten war. »Die verpflichte ich für den Schützenball«, sagte der kostenbewusste Organisator zu seiner Frau, »alle anderen sind ja dreimal so teuer.« Und das Unheil nahm seinen Lauf.
An einem Samstagabend war es dann so weit: Im großen Dorfsaal hatten sich die Schützen mit ihren fein herausgeputzten Frauen zum wichtigsten Ereignis des Schützenjahres
zusammengefunden. Um kurz vor acht tauchte der Rudi auf. Vorn auf der Bühne legte er sein Akkordeon und seine Trommel-Konstruktion ab und kramte die Mundharmonika aus seiner Hosentasche heraus. Dann befestigte er an der Stuhllehne mit einem Reißzweck sein selbst gemaltes Schild, auf dem mit dickem Filzstift geschrieben stand: »Original Fischer-Trio«. Während dann der Rudi in aller Ruhe seine Pedal-Technik für die Trommel aufbaute, rannte der immer noch ahnungslose Vergnügungsvorstand nach vorne.
»Wo sind denn Ihre anderen zwei Kollegen?«, erkundigte er sich aufgeregt beim Rudi, »es ist ja gleich acht – wir wollen anfangen.«
»Welche zwei?«, fragte der Rudi zurück.
»Na die von Ihrem Trio …«, sagte der Berliner.
»Wir sind komplett«, erwiderte der Rudi wahrheitsgemäß – und dann klärte sich das Missverständnis allmählich auf. Dem sparsamen Vergnügungsvorstand wurde ganz schlecht, als ihm Rudi sein Trio vorstellte. Mit dem Schützenball war es natürlich vorbei.
Rudi spielte zwar mehrfach mit seinen drei Instrumenten »La Paloma« und »Bum-bum-bum, die Russn kumma« und wollte retten, was noch zu retten war. Aber leider kam bei den Schützen und ihren Frauen keine rechte Stimmung auf. Als der Rudi, der seinen Ärger über das Missverständnis mit ein paar doppelten Obstlern hinuntergespült hatte, nach einer halben Stunde über sein eigenes Pedal-Gestell zu Boden stürzte, schritt der Schützen-Präsident ans Mikrofon und verkündete, dass der missglückte Ballabend nun in ein »gemütliches Beisammensein« umgewandelt werde.
Versöhnung tut dem Leben gut
Man darf dem anderen und sich selbst nie zu viel nachtragen, sonst erdrückt einen die Last, die man trägt.
Lindenwirtin Josefine Wagner
Viele Menschen stellen an sich selbst Ansprüche, die sie nicht erfüllen können. Besonders im Alter erleben sie sich als unattraktiv und als im Leben gescheitert. Häufig sehen sie gar keine Perspektive mehr für ihr weiteres Leben. Früher haben sie von einem harmonischen Lebensabend geträumt, doch die raue Realität hat ihnen diese Illusionen geraubt. Beim Blick zurück trauern sie den vertanen Chancen nach – im Beruf, im Privatleben, in den Beziehungen. Diese Menschen haben sich mit ihrem bisherigen Leben nicht versöhnt, die Verwundungen aus der Vergangenheit schmerzen auch in der Gegenwart. Sie haben nicht gelernt, dass zum Leben nicht nur Erfolge gehören, sondern auch Enttäuschungen und Niederlagen. Doch niemand kommt umhin, sich auch mit Ungerechtigkeiten in seinem Leben auseinanderzusetzen. Solchen Konfliktsituationen sind sie früher immer ausgewichen, doch im Alter erkennen sie, dass sie sich ihnen stellen
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