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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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müssen.
    Ihre Unversöhntheit mit sich selbst, mit anderen Menschen oder mit bestimmten Ereignissen hat sich angestaut und wirkt jetzt wie eine schwere Last. Eine scheinbar falsche Entscheidung während der Berufskarriere, die offensichtliche Benachteiligung beim Erbe, eine verpasste Liebesbeziehung, die verlorene Armbanduhr, eine versäumte Kreuzfahrt, der Verlust an der Börse – in einem langen Leben sind Enttäuschungen und Misserfolge unvermeidbar. Aber es hat wenig Sinn, ihnen ständig nachzutrauern, denn sie sind unwiderruflich vorbei. Es gibt nur die Möglichkeit, sich endlich mit ihnen auszusöhnen, indem man »loslässt« und sich oder anderen Fehler bewusst verzeiht.

    Im Alter, wenn die Misserfolge den Menschen in die Erstarrung geführt haben, ist es besonders schwierig, loszulassen und zu vergeben, weil man sich meist ungerecht behandelt fühlt. Umso wichtiger ist es, die vergangenen Ereignisse – am besten sogar mehrmals – sehr bewusst zu betrachten, damit man sie wirklich loslassen kann. Doch die Aussöhnung geschieht erst, wenn man verziehen und Frieden geschlossen hat, auch mit sich selbst. Manche Menschen leiden sonst bis zu ihrem Tod unter Fehlern, die sie früher einmal gemacht und sich nie vergeben haben. Oft braucht es für diese Aussöhnung das gute Wort eines Freundes oder sogar professionelle Hilfe, vielleicht eines Seelsorgers, der mithilft, den Prozess des Loslassens und Verzeihens in Gang zu setzen.
    Die Seebestattung
    Manchmal wirkt die Unversöhnlichkeit eines Menschen über den Tod hinaus und wird zum Eklat, wie die folgende Geschichte von Manfred zeigt.
    Manfred war früher als Matrose auf den Weltmeeren daheim gewesen. Im Alter schwelgte er in Erinnerungen an sein Leben auf dem Schiff. »Wenn ich eines Tages meine Augen für immer schließe«, sagte er stets zu seiner Frau, »dann wünsche ich mir eine Seebestattung. Nach meinem Tod möchte ich verbrannt werden, und dann sollt ihr meine Asche in die Nordsee streuen.«
    Als der Manfred gestorben war, beratschlagte die Familie, was sie jetzt tun sollten – es ging um die Seebestattung, die sich der Manfred so sehr gewünscht hatte. Trotz mancher Bedenken wegen der hohen Kosten und weil der Manfred mit
den meisten Verwandten zerstritten war, entschlossen sie sich, seinen letzten Wunsch zu erfüllen.
    Man organisierte also eine Seebestattung. In zwei Autos fuhr die neunköpfige Trauergesellschaft nach Hamburg und ließ sich, mit einem Pfarrer an Bord, in die Nordsee hinausfahren. Weitab von der Küste vollzog der Priester das Bestattungsritual. Zum Schluss stand er vorn am Bug des Schiffes, nahm den Deckel von der Urne ab und streute Manfreds Asche ins Meer – zumindest wollte er das. Aber ein plötzlicher Windstoß blies die Asche nach hinten – direkt in die Augen der erwartungsvollen Erben. »Typisch Manfred«, flüsterte ein Neffe seinem Vater zu, »er hat auch zu Lebzeiten immer versucht, uns zu ärgern.« Sie alle weinten dicke Tränen. Allerdings nicht aus Trauer, sondern wegen der Asche, mit der der Manfred bei Windstärke sieben ein letztes Mal zugeschlagen hatte.
    Beziehungslosigkeit und Wurstigkeit
    Wenn dir alles wurscht ist, dann wirst du selbst eine Wurst – und dich frisst der Hund. Man muss am Leben Interesse haben, sonst interessiert sich das Leben auch nicht für dich.
    Lindenwirtin Josefine Wagner
    Im Alter neigen viele Menschen zu zwei fast gegensätzlichen Verhaltensweisen: Sie verlieren völlig das Interesse am Leben und regen sich gleichzeitig über Kleinigkeiten auf. Beides sind typische Anzeichen dafür, dass der Mensch beziehungslos geworden ist. Sogar der übertriebene Fernsehkonsum, der scheinbar für ein Interesse an den Ereignissen in der Welt steht, ist in Wirklichkeit das Ergebnis von Desinteresse und Gleichgültigkeit. Die Menschen lassen sich nur noch berieseln, statt Eigeninitiative zu entwickeln und aktiv am Leben teilzunehmen. Dieses Phänomen beginnt häufig mit dem Eintritt ins Rentenalter. Am Ende ihres Arbeitslebens sind die meisten noch voller guter Vorsätze und schmieden Pläne, was sie nun alles machen werden; es scheint, als wollten sie ihr hektisches Berufsleben im Alter fortsetzen. Vor sich selbst rechtfertigen sie ihre neue Aktivität damit, sie müssten nun bisher Versäumtes nachholen. »Früher hatte ich dazu nie Zeit«, hört man sie dann oft sagen, »aber jetzt erlaube ich mir…« – und dann zählen sie die Wünsche auf, die sie sich in jungen Jahren nicht erfüllen

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