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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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an außer mir und bezahlt 1,79 Euro und mehr für eine Information, die er mit einer auf den Rücken gebundenen Hand trotzdem in fünf Sekunden selbst gegoogelt hat?
    Nachforschungen ergeben, dass bei der Firma Telegate zum Beispiel noch gut 3000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Mit einem Marktanteil von rund 38 Prozent ist die Firma die Nummer Zwei nach der Auskunft der Deutschen Telekom. Telegate-die Firma hinter der 11880 und »Hier werden Sie geholfen!« -machte 2008 zwar noch 178,8 Millionen Euro Umsatz, der Anteil der klassischen Auskunft daran sinkt jedoch beständig. Andere Geschäftsfelder werden immer wichtiger, darunter das Betreiben von Call Centern für Geschäftskunden -oder Suchmaschinenmarketing im Internet. So wie ich das »Fräulein vom Amt«, das man früher um eine Verbindung bitten musste, nur noch aus SchwarzWeiß-Filmen kenne, werden meine Enkel vermutlich nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt, der Telefonauskunft umständlich einen komplizierten Nachnamen zu buchstabieren: »Zeppelin ... Anton ... Nordpol, Nordpol... Otto ... äh, was sagt man noch mal für C? «.
    Vielleicht liegen meine häufigen Anrufe bei der Auskunft aber auch daran, dass ich mich immer noch ein wenig einsam und abgeschnitten von der Welt fühle. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass mich jeder, der mir eineMail schreibt und von meinem Selbstversuch liest, sofort anruft, um mit mir darüber zu sprechen. Oder dass mich jeder, der mich auf Facebook in die Gruppe »Kann diese Brezel mehr Fans haben als Tokio Hotel?« einlädt, auch bereit ist, mir eine schriftliche Beitrittserklärung zu Fuß und persönlich vorbeizubringen. Genauer gesagt würde ich es mir sogar verbitten, wegen jedem Quatsch, der im Internet gerade noch als lustig durchgeht, persönlich und unmittelbar behelligt zu werden. Aber so wenig von meinen Freunden und Bekannten zu hören, wie ich es momentan tue, isfmir definitiv zu wenig.
    Hausbesuche und Türnotizen
    Zu allem Überfluss ist auch noch die Klingel unserer Haustür kaputt. Als ich einen Freund anrufe, der schon kurz nach der Wiedervereinigung nach Ostberlin gezogen war, berichtet er mir von jener kuriosen Zeit Anfang der Neunziger, als viele der Wohnungen nicht über einen Telefonanschluss verfügten. »Damals hat man sich einfach noch unangekündigt besucht«, erinnert er sich. »Was heutzuta-ge ja selbst bei sehr guten Freunden schon an einen Affront grenzt.« Ebenfalls üblich, so erzählt er weiter, war es damals, kleine Notizblöcke oder Papierrollen an der Wohnungstür aufzuhängen, neben denen ein Bleistift an einer Schnur baumelte. So konnte jeder Besucher eine Nachricht hinterlassen, falls er niemanden angetroffen hatte. Ein schriftlicher Anrufbeantworter gewissermaßen. Ich überlege kurz, ebenfalls eine solche Rolle zu installieren, aber im Gegensatz zu damals, als die Eingangstüren der Häuser angeblich noch allesamt offen waren, kommt heutzutage ja niemand mehr bis an die Wohnungstür.
    Ein anderer Freund, mit dem ich direkt im Anschluss telefoniere, kann meine Trübsal nicht so recht verstehen: »Ich bin immer froh, wenn das Handy nicht klingelt«, sagt er nach kurzem Überlegen.
    »Denn abgesehen von ein paar Freunden, die ich dann ja aber an ihrer Nummer erkenne, bedeutet es doch eigentlich immer eine schlechte Nachricht: Stress, Arbeit, Nerverei.« Vor zwei Wochen hätte ich ihm noch beigepflichtet. Inzwischen sehne ich mich nach dem Klingeln -wenn schon nicht meines Handys, dann wenigstens dem des Festnetztelefons.
    Trotzdem geht es mir nach unserem Gespräch schon ein wenig besser. Mir ist klar geworden: Ich muss mich selbst darum bemühen, mit meiner Umwelt in Kontakt zu bleiben, wenn ich mich aus einem Großteil der üblichen Verbindungen ausklinke. Auch wenn ich mir an Tagen, an denen beide Telefone nicht aufhören zu klingeln, an denen Mails und SMS einprasseln, insgeheim wünsche, alleine auf der Welt zu sein und meine Ruhe zu haben. Auch wenn ich mir manchmal im Auge des Stressorkans wünsche, alle mögen sich zum Teufel scheren -wenn es schließlich so weit ist, merke ich: Gar keine Kommunikation ist auch keine Lösung.
    Denn kommunikative Vernetzung, das Verbundensein mit anderen Menschen, bestimmt unser Selbstwertgefühl. Ob es ein kurzes, aber freundliches Gespräch mit dem Nachbarn ist oder ein Jugendlicher, der seine Beliebtheit an den SMS abzählt, die er zum Valentinstag bekommt, ist zweitrangig. Entscheidend ist,. dass wir alle soziale und kommunikative Wesen

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