Ich bin dann mal offline
aufgelisteten Veranstaltungen blättere, erinnere ich mich, wie ich vor zehn Jahren zum ersten Mal nach Berlin zog und im Stadtmagazin -dicker als das Telefonbuch meines bisherigen Wohnortes und das alle zwei Wochen! -die getackerte Verheißung eines besseren Lebens sah. Doch als ich nun die Liste mit den Konzerten, DJs, Lesungen durchgehe, möchte ich ständig auf einen Link klicken, der »mehr« oder »weiter« verspricht. Möchte hören, wie die Musik klingt, die der DJ auflegt, dessen Name mir nichts sagt. Möchte sehen, wie es in der Bar aussieht, die zum »besten Northern Soul Allnighter aller Zeiten« einlädt. Im Internet ist jede Information mit weiteren Informationen verknüpft, die sie einordnen, erklären und somit wertvoller macheri können. »Das Internet«, so fasst es Dave Morin, der Miterfinder von Facebook zusammen, »schafft Kontext.« Kontext, den analoge Medien auch bieten -aber nur, wenn sie wollen. Nämlich dann, wenn sie sich entscheiden, ein Bild abzudrucken oder einen ausführlicheren Bericht -was in der Regel auch immer eine Kostenund Platzfrage ist. Im Internet kann sich jeder selbst auf die Suche begeben und den Kontext nach eigenem Bedarf und Interesse herstellen.
Dass wir am Ende, statt die Nacht in einem illegalen Kellerclub durchzutanzen, einfach nur ins Kino gehen, ist aber nun weder die Schuld des Internets noch des Stadtmagazins. Sondern liegt einzig und allein daran, dass ich ein morscher alter Mann bin, der gerne im gemütlichen Sessel eines Multiplexkinos mit Beinfreiheit und Becherhalter sitzt. Wir sehen »Sherlock Holmes« von Madonnas Ex-Mann Guy Ritchie, und zum ersten Mal seit Langem sitze ich wieder in einem Kinofilm, ohne vorher bei der Internet Movie Database IMDB nachgelesen zu haben, wer ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehen war oder mir unter metacritic.com eine Übersicht über alle veröffentlichten Zeitungskritiken verschafft zu haben. Ich frage mich, wie Sherlock Holmes wohl zu unserer modernen Online-Welt stünde -schließlich ist er einerseits ein so altmodischer Charakter (der Jagdhut, die Pfeife, das Morphium), andererseits für· die damaligen Verhältnisse oft unfassbar modem (der aufklärerische Glaube 9 Interessanterweise geht ja selbst den schriftlichen Einladungen inzwischen immer häufiger eine Mail mit der Bitte voraus:
»Schick mir doch bitte mal deine Postadresse.«
an Wissenschaft und Logik). Würde sich Sherlock Holmes nicht freuen über Internetcookies 10 und Online-Ortungssysteme, über Bundestrojaner und Vorratsdatenspeiche rung11 und all die anderen modemen Ermittlungsmöglichkeiten? Nein, Holmes muss weiterhin staubige Bücher lesen, im stillen Kämmerlein brüten und scharf geschliffene Intelligenz und trockenen Humor versprühen. Sonst könnte er ja gleich bei den Labor-Technokraten von »C.S.I.« anfangen.
Die neun lustigsten Twitter-Beiträge aller Zeiten
»Ich tanze nicht, ich fange nur seit einer halben Stunde meinen Sturz ab.« (vergraemer)
»Keiner der Schnapsläden in meiner Umgebung bietet Lieferservice. Muss ich heute also leider doch Hosen anziehen.« (tony-d)
»Ich liebe den Geruch von Überstrapazierten Filmzitaten am Morgen.« (badbanana)
»Jeden Tag passiert so viel, wie in die Zeitung hineinpasst. Praktisch, oder?« (bosch)
»Stehe in der Küche und mache mir Tee.•Ah. Du machst dir einen Tee.< Bei Vollmond verwandelt sich Kollege X in Unnütze-Statements-Man.« (the_maki)
»Hab übrigens seit gestern mit dem twittern aufgehört. klappt so lala bisher.« (mspro)
»Zahnpastareste sind der Lippenstift der Gehetzten.« (furukama)
»Würde man die Fruchtfliegen in meiner Küche mit Glühwürmchen kreuzen, könnte ich jede Menge Strom sparen.« (mikrotexte)
»OK, flipp jetzt nicht aus -aber irgendjemand ist in unser Haus eingebrochen, hat das ganze Eis gegessen, das Bild von deiner Mutter zertrümmert und den Abwasch nicht gemacht.« (fireland) 10 Ein Internetcookie ist eine kleine Datei, die beim Besuch einer Webseite auf dem lokalen Rechner gespeichert wird, der sie besucht. So ist die Webseite unter anderem in der Lage, den Besucher wiederzuerkennen, wenn er zurückkehrt, oder sich Einstellungen und Ähnliches zu merken. 11 Vorratsdatenspeicherung bezeichnet die umstrittene Praxis von Telefongesellschaften und Internetanbietern, individuelle Verbindungsdaten jedes Nutzers sechs Monate lang aufzubewahren. Im März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass die Vorratsdatenspeicherung in ihrer
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