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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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nach Uhrzeit und Ziel des Anrufs musste man dann 01024 oder 01013 oder eine andere der ständig wechselnden Call-by-Call-Vorwahlen wählen und dann erst dienormale Nummer. Spätestens gegen Ende vertippte man sich aber regelmäßig und musste wieder von vorne anfangen. Wer sich damals von Manfred Krug zum Kauf von TelekomAktien hatte überreden lassen, mag es anders sehen, aber ich bin der festen Überzeugung, diese Call-by-Call-Vorwahlen waren die schlimmste Auswirkung der ansonsten nicht unsinnigen Aufhebung des Postmonopols. Wie die Dinosaurier sind sie inzwischen zu Recht beinahe ausgestorben. Allerdings sind dafür Hunderte von Mobilfunktarifen und Zusatzoptionen an ihre Stelle getreten, die niemand ohne ein mehrjähriges Studium wirklich verstehen, geschweige denn miteinander vergleichen kann. Ich kann es mir erlauben, in meinen Gedanken derart abzuschweifen, weil ich viel zu früh zum verabredeten Treffpunkt mitSven erschienen bin. Der Verzicht aufs Handy diszipliniert mich. Denn sonst bin ich leider eher einer dieser Menschen, die die Kurznachricht »Tut mir leid, bei mir wird es zehn bis 15 Minuten später« als wiederverwendbare SMSVorlage in ihrem Mobiltelefon gespeichert haben. Und an dieser Stelle ein kurzes Geständnis an alle, die diese Nachricht schon einmal von mir bekommen haben: Nein, die S-, U-und Trambahnen sind jeweils ganz regulär gefahren -ich hatte mich nur nicht vom Internet losreißen können.
    Endlich kommt Sven um die Ecke gebogen. Wobei »endlich« etwas gemein ist -schließlich ist er pünktlichI nur ich war 20 Minuten zu früh. »Geht es allen deinen Verabredungen so?«, frage ich ihn als Erstes, da ja bei ihm die üblichen Entschuldigungs-SMS nicht funktionieren. »Viele sind vor allem davon genervt, dass ich auf verbindlichen Verabredungen bestehe«, sagt Sven. »Im Grunde sollte es ja kein Problem sein, in dem Augenblick, in dem man sich verabredet, die genaue Zeit und den Ort festzulegen. Trotzdem haben sich viele Handybesitzer angewöhnt, zu sagen >Mittwochabend ist okay, wann und wo genau, können wir ja später noch mal besprechen< ... Ich finde das eher unnötig und anstrengend. «
    Ich schaue beschämt auf meine Schuhspitzen. Denn natürlich habe ich letzten Monat auch noch haargenau so geredet. Habe Verabredungen vage gelassen -teils aus einem diffusen Wunsch nach Flexibilität -teils, weil ich in dem Moment einfach zu faul war, mir darüber Gedanken zu machen, wo genau das Feierabendbier am besten zu trinken sei. Kommen mehrere solcher festlegungsscheuen Handybesitzer zusammen, kann es gerade am Wochenende passieren, dass man sich den ganzen Abend über mit Sätzen wie »Wir funken dann einfach später noch mal« vertröstet. Dann rennt man den ganzen Abend mit unterschiedlichen Leuten durch unterschiedliche Bars und Kneipen, um am Ende aus dem Taxi nach Hause eine SMS zu schicken, in der man es bedauert, dass es mit dem Treffen doch nicht geklappt hat.
    Der Handyverweigerer
    Sven ist groß und schlaksig und gehört trotz seines Handyverzichts zu den geselligsten Menschen, die ich kenne. Er hat Geschichte studiert und hilft heute Museen dabei, festzustellen, wem die Werke gehören, die sie ausstellen. Anfangs sperrte er sich eher aus einer Protesthaltung heraus gegen ein Mobiltelefon: »In den späten Neunzigern begann der Boom: Da wurden sie langsam kleiner und für jedermann erschwinglich«, erinnert er sich. »Ich hatte damals aber keine Lust auf ein solches Statussymbol und ehrlich gesagt auch ein wenig Angst, davon überrollt zu werden. Angst vor der ständigen Erreichbarkeit und davor, immer kontrollierbar zu sein.« Diese strikte und ideologische Abneigung sei inzwischen jedoch einer entspannteren Haltung gewichen. »Ich bin absolut kein Technikfeind«, sagt der Mittdreißiger. »Ich liebe das Internet, und wenn ich irgendwann an dem Punkt bin, an dem ich fünf Mal im Monat denke: >Jetzt wäre ein Handy wichtig gewesen< -dann werde ich mir auch eines kaufen.«
    Bisher ist dieser Punkt allerdings noch nicht gekommen. Am stärksten vermisst er ein Handy, wenn er auf Reisen ist: »In Hotels muss man das Zimmertelefon oft erst umständlich freischalten lassen, wenn es überhaupt noch eines gibt. Und dann zahlt man sich dumm und dämlich«. In seinem Berliner Alltag ist er, wie ich selbst absolut bestätigen kann, im Büro und Zuhause über das Festnetz sehr gut zu erreichen. »Wenn ich in der U-Bahn sitze oder gerade im Supermarkt an der Kasse stehe, er-wischt man mich

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