Ich bin dann mal offline
geschrumpft sein.
Meine Rückkehr zu Facebook fällt verhältnismäßig unspektakulär aus. Meine Freunde haben sich nicht heimlich in einem virtuellen Raum versammelt und rufen: »Überraschung!«, in dem Moment, in dem ich ihn betrete. Vereinzelt gibt es einen Kommentar: »Oh! Du bist wieder online«, aber den meisten ist vermutlich nicht einmal aufgefallen, dass ich weg war. Was ich durchaus angenehm finde. Auch hier haben sich eine ganze Reihe von Nachrichten angesammelt: Einladungen, Mitglied in der Gruppe »Die Todesmutigen Kettenbriefunterbrecher« oder »Ich schmeiß auch nach 20.00 Uhr Altglas ein!« zu werden. Einladungen zu Veranstaltungen -und natürlich Freundschaftsanfragen. Früher habe ich diese grundsätzlich positiv beantwortet, es sei denn, es handelte sich um eine Verwechslung und ich kannte die betreffende Person überhaupt nicht. Zu groß war meine Angst, als arroganter Mistkerl zu gelten, der nur anruft, wenn er Umzugshelfer oder ein knackiges Zitat für einen Magazinartikel braucht, sich aber ein Jahr später zu fein für eine Internetfreundschaft ist. So klickte ich freundlich auf »bestätigen« -.wohlwissend, was dies unterm Strich bedeuten würde: gar nichts. Doch seit meinem Gespräch mit Robin Dunbar, dem Mann, der die 150 als magische Grenze unserer sozialen Beziehungen erkannt hat, bin ich vorsichtig geworden. Die Grenze sei fix und unumgehbar in unsere Gehirne implementiert, hatte er mir versichert. Würde ich also in dem Augenblick, in dem ich jemanden als Freund bestätigte, mit dem ich zwar auf der Schule war, aber nie auch nur ein Wort geredet hatte, einen anderen, echten Freund an den Rand des Zirkels drängen? Würde plötzlich HandballUwe, an den ich seit fast 20 Jahren nicht mehr gedacht hatte, mit seinen täglichen Updates die Aufmerksamkeit verbrauchen, die eigentlich einem gegenwärtigen Freund zustand? Ich will kein Risiko eingehen und beschließe deshalb, meinem inneren Türsteher eine etwas strengere Auswahlpolitik zu verordnen.
Es fühlt sich trotzdem albern und arrogant an, auf »Ignorieren« zu klicken. Ungefähr so, als würde einen im Supermarkt jemand mit Namen ansprechen und man täte trotzdem so, als hätte man es nicht gehört. Weiter die Etiketten Senfgläser studieren und schließlich mit leerem Blick und Schulterzucken zur Kasse gehen. Vertracktes Internet! Die letzten sechs Wochen waren sicher auch nicht immer ein Spaziergang, aber immerhin frei von solch moralischen Dilemmata.
Tag 45 Was vom Selbstversuch übrig blieb
Inzwischen bin ich seit einer halben Woche online und habe mich wieder einigermaßen akklimatisiert: Mein Puls fängt nicht mehr an zu rasen, wenn mein Telefon klingelt, während ich auf dem Handy bereits spreche. Ich habe den »Rückstand« von unbearbeiteten Mails, Facebook-Nachrichten und Google-Recherchen, die ich mir in den letzten Wochen auf einen Block gekritzelt hatte, aufgeholt und gehe wieder meinen tagtäglichen Verrichtungen nach. Trotzdem ist längst nicht alles wieder genauso wie vorher -zum Glück!
Zum einen fliehe ich immer mal wieder für einen halben Tag in die Bibliothek. Die Stille dort erinnert mich an die Tage, an denen ich diese Ruhe auch zuhause ständig hatte auch wenn ich es nicht immer schätzte, sondern gerade anfangs oft genug verflucht habe. Mein Arbeitspensum in den Offline-Wochen war phänomenal-:-vor allem insofern, als ich wesentlich mehr erledigt bekam als vorher, aber gleichzeitig nicht das Gefühl hatte, mehr zu arbeiten. Ein bisschen was von dieser wundersamen Effizienzsteigerung versuche ich, durch die Bibliotheksbesuche in meinen neuen alten Online-Alltag hinüberzuretten. Vielleicht fehlt mir aber auch nur der Bibliotheksmief. Und ewig klickt die Maus
Zum anderen merke ich, wie sich manche Freundschaften in den Wochen meiner Netzlosigkeit qualitativ verbessert ha" ben. Mit David, mit dem ich sonst meist nur die ein oder andere kurzeMail oder SMS austausche, spreche ich derzeit viel häufiger -sei es am Telefon oder bei einem unserer ebenfalls häufigeren Treffen. Als er heute anrief, ertappte ich mich allerdings dabei, wie ich nach ungefähr fünf Minuten Geplauder bereits ungeduldig wurde. Wieder zurück an meinen Computer wollte, um die EMail weiterzuschreiben, die ich vorher angefangen hatte. Die aber nebenbei bemerkt, weder besonders wichtig noch besonders eilig war. Auch als ich abends mit meinem Vater telefoniere, erleide ich einen schlimmen Rückfall in eine Krankheit, die ich während
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