Ich bin dein - Geheime Sehnsucht
schwieg. Ich neigte den Spiegel ein wenig. Die linke Stirnseite war verbunden. »Was ist das? Was ist passiert?« Ich berührte den Verband. Aua.
»Kopfwunde«, sagte Nathaniel. »Da war überall Blut. Es hat nicht aufgehört, und sie haben nicht versucht, die Blutung zu stoppen. Sie waren zu sehr damit beschäftigt herauszufinden, ob dein Nacken gebrochen war oder ob du innere Blutungen hattest.« Er schaute plötzlich abwesend drein. »Kopfwunden bluten stark. Ich kann mich erinnern.«
In diesem Moment war Nathaniel kein Mann von 34 mehr. Er war ein zehnjähriger Junge, der in einem Auto feststeckte.
»Aber sie hat aufgehört«, sagte ich sanft.
»Was?«, fragte er und kehrte in die Gegenwart zurück.
»Meine Blutung. Sie hat aufgehört.«
»Ja«, sagte er. »Nachdem klar war, dass du dir nicht den Nacken gebrochen hattest, haben sie dir den Kopfverband angelegt.« Er stand auf und nahm mein Essenstablett. »Ich bringe es eben nach draußen.«
Nathaniel und Felicia stritten sich erneut, dieses Mal darüber, wer über Nacht bei mir bleiben würde.
»Ich habe schon eine Reisetasche mit Kleidern zum Wechseln und eine Zahnbürste mitgebracht«, sagte Felicia.
»Linda bringt mir einen Krankenhauskittel«, konterte Nathaniel.
»Das ist zweckentfremdete Nutzung von Krankenhauseigentum.« Felicia deutete auf seine Brust. »Vielleicht melde ich es dem Vorstand.«
Nathaniel trat einen Schritt auf sie zu. »Linda ist im Vorstand.«
Eine Krankenschwester betrat das Zimmer. Sie wich ihnen aus und sah mich fragend an: Soll ich sie rausschmeißen?
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir bleiben beide«, sagte Nathaniel.
Die Krankenschwester entfernte den Infusionsschlauch an meiner Hand und verband die Wunde. »Tut mir leid, Mr West. Nur ein Besucher im Zimmer über Nacht. So lautet die Regel.«
Ich spürte, wie mir bei dem Wort »Regel« die Hitze ins Gesicht stieg und ich knallrot wurde.
Nathaniel richtete sich auf. »Verstehe. Felicia, du kannst bleiben.« Er kam zu mir herüber. »Ich sollte wohl besser gehen, bevor sie den Sicherheitsdienst rufen. Ich komme gleich morgen früh wieder.« Er beugte sich zu mir herab und flüsterte mir ins Ohr: »Schlaf gut.«
Es wurde ruhig, nachdem er gegangen war. Felicia setzte sich in den Lehnstuhl in der Ecke des Zimmers und schon bald nickte ich ein.
Es ist schier unmöglich, in einem Krankenhaus ungestört zu schlafen. Ständig kommt jemand ins Zimmer, um nach einem zu sehen, den Blutdruck zu messen oder was auch immer. Doch ich döste immer wieder ein und schlief wahrscheinlich besser als Felicia. Der Lehnstuhl wirkte nicht sonderlich bequem.
Felicia sah schlimm aus, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Ihr gewöhnlich perfekt gestyltes Haar war zerzaust und sie hatte Ringe unter den Augen.
»Ich hätte Nathaniels Rat befolgen und nach Hause gehen sollen«, sagte sie.
»Du hättest viel besser geschlafen, keine Frage«, erwiderte ich, während ich die Beweglichkeit mehrerer Körperteile testete.
»Ich meine, ich hätte es mir wirklich sparen können.« Sie stand auf und streckte sich. »Er hat nämlich die Nacht im Wartezimmer verbracht.«
Ich hielt in der Bewegung inne. »Nathaniel? Er ist hiergeblieben? Die ganze Nacht?«
»Die ganze Nacht.« Sie kam zu meinem Bett herüber. »Jedes Mal, wenn eine Krankenschwester hereinkam, stand er im Gang. Ich habe ihn völlig falsch eingeschätzt. Ich glaube, er mag dich wirklich.«
Ich dachte noch immer über ihre Worte nach, als besagter Mann das Zimmer betrat. Er warf Felicia einen misstrauischen Blick zu, doch sie ignorierte ihn und räumte das Zimmer auf. Ein Pfleger mit einem Tablett folgte ihm.
»Zeit fürs Frühstück.« Nathaniel schob den Betttisch wieder zu mir herüber, damit ich essen konnte. »Omelette mit Schinken und Käse.«
»Ich muss los, Abby.« Felicia trat an mein Bett und küsste mich auf die Wange. »Ich hab noch nicht gepackt. Erhol dich. Ich rufe dich an, sobald ich kann.« Sie wandte sich an Nathaniel. »Wenn du ihr wehtust, schneide ich dir den Schwanz ab und serviere ihn dir zum Frühstück.«
»Felicia Kelly!«, stieß ich erstaunt hervor.
»Sorry. Ist mir so rausgerutscht.« Sie deutete auf ihn. »Aber ich meine es ernst.«
»Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist«, sagte ich zu Nathaniel, nachdem sie gegangen war.
Er setzte sich auf den Bettrand. »Sie war ziemlich mitgenommen gestern. Sie möchte einfach nicht, dass man dir wehtut.«
»Erzählst du mir, worüber ihr euch gestritten
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