Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
Beebe-Bucht mit einer kleinen Marina für die Segelboote und einem kleinen Fischtrawler der Nachbarschaft lag scheinbar verlassen auf dem Hügel über dem Ozean. Für Klara Swell war die Abwesenheit der Sommergäste keine gute Nachricht, bedeutete sie doch, dass die Verbliebenen umso aufmerksamer auf Fremde reagieren würden. Für Einbrecher waren die anonymen Städte und die besonders abgelegenen Flecken auf der Landkarte diesem hier eindeutig vorzuziehen. Küsten- und Bergdörfer hatten seit jeher ein anderes Verhältnis zur Nachbarschaft als alle anderen Siedlungen. Und die mondhelle Nacht machte ihr Vorhaben noch ein wenig komplizierter.
Nach ein paar Minuten stieg Klara aus dem Wagen. Sie schlich am Wald entlang bis zu einem Fischimbiss auf der Marina, dessen Fensterläden der Besitzer schon für den Winter verrammelt hatte. Die Wanten der Segelboote schnalzten im Wind, und das Meer schluckte unter dem Steg nach der Mauer. Klara zog die dunkle Jacke noch ein wenig enger zusammen und schob die Mütze ins Gesicht, bevor sie das Vordach der Holzhütte verließ und unterhalb einer kleinen Steinmauer am Fuße des Hügels die Straße entlanglief. Das Haus, in das sie einzubrechen gedachte, lag am Ende der gewundenen Straße, wieder auf dem Kopf des Hügels. Sie suchte nach Anzeichen von Leben hinter den Fenstern, an denen sie vorbeilaufen musste. Eines der Häuser stand zum Verkauf, wie so viele der Sommerresidenzen hier an der Küste, die beiden anderen schienen ihr wie ausgestorben. Klara entschied sich, ein Risiko einzugehen, und sprintete über die Straße, mitten durch den hellen Mondschein. Das Bein zog ein wenig beim Rennen, aber es war auszuhalten. Glücklicherweise regnete es, was ihre Sichtbarkeit etwas einschränkte. Dafür war es nass, und die Quittung für diesen Vorteil würde sie gleich an der Haustür bekommen.
Sie erreichte das Sommerhaus der Familie Dwight keine zwei Minuten später, schlich auf die Veranda, kauerte sich unter ein Fenster und lauschte. Hinter dem Hügel fuhr ein Amtrak vorbei, sein Signal war weit über das Wasser zu hören. Hinter Mystic kam ein kurviges Stück. Der Zug warnte die anderen vor der nahenden Gefahr. Ein kurzer Moment der Erinnerung störte Klaras Konzentration. Dann lauschte sie wieder auf Zeichen von Leben aus dem Inneren des Hauses, aber es lag verlassen und still über der Bucht. Klara stand auf und suchte an den Fenstern und der Tür nach Zeichen einer Alarmanlage. Es war kein besonders großes Haus, der Direktor von One Nation for America war reich, aber kein Multimillionär. Es diente den Dwights nur als Zuflucht für ein paar entspannte Sommerwochenenden auf dem Land. Dann zog Klara die nasse Jacke und ihre Schuhe aus und fischte ihre Picks aus der Tasche. Ein Haus ist so gut wie das andere, wusste Klara aus Erfahrung.
Das Wohnzimmer, das direkt an die Veranda grenzte, war altmodisch eingerichtet, im typischen Neuenglandstil mit blumigen Decken und dunklen Hölzern. Sie blickte sich kurz um und lief dann auf Socken die Treppe hinauf ins Arbeitszimmer. Sie inspizierte mit einem kurzen Blick jedes Zimmer: Markus E. Dwight hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, der Sohn war offenbar schon älter, an seinem Schrank hing die Fahne eines College-Basketballteams. Die Tochter dürfte etwa im Teenageralter sein, und Dwights Frau schlief in einem separaten Gästezimmer, oder zumindest vermutete Klara das, weil in dem Raum mit dem kleinen Bett auch ein Kleiderschrank stand. Es könnte sich ebenso gut anders verhalten, aber Klara hatte bei ihren vielen Einbrüchen in den sogenannten besseren Kreisen die Erfahrung gemacht, dass gerade in den vermeintlich heilsten aller Familien die Paare besonders häufig getrennt schliefen. Eine Ehe ohne echte Liebe war für viele immer noch besser, als vor der Gesellschaft ein Scheitern einzugestehen. Vermutlich gab es einfach mehr zu verlieren oder eine eigentümlich konservative Vorstellung davon, was eine gute Beziehung ausmachen sollte.
Das Arbeitszimmer entpuppte sich als der größte Raum des oberen Stockwerks, was Klara noch mehr über die Prioritäten des Familienoberhauptes verriet. Systematisch arbeitete sie sich durch die Schubladen und die Aktenschränke. Sie förderte eine Unmenge privater Rechnungen über das Haus zutage, das Segelboot und zu Letzterem eine ganze Palette von Fachliteratur. Dazu Bücher von Donald Trump über das Gewinnen und die Biografien von sechs US-Präsidenten von Grant bis George W. Bush,
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