Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
vierte Wand, die an der Westseite des Zimmers, die sich mit seinem Kontaktprofil beschäftigte. Sam hatte alle Personen, mit denen er laut den Briefen zu tun gehabt hatte, wie auch solche, mit denen er vermutlich in Kontakt getreten sein musste, an die Wand geheftet. Von den Opfern über die Professoren an seiner Universität bis hin zu den Nebendarstellern in seinem Theaterstück, den unfreiwilligen Helfershelfern bei seinen Recherchen. Seit Tagen zerbrach er sich den Kopf darüber, wie ihnen Tery, Lisa, Tina und Cory helfen könnten. Immerhin hatte der letzte Brief nicht nur einen neuen Namen, sondern gleich vier gebracht. Sam rieb sich mit den Händen über das Gesicht und seufzte. Er konnte sich bei Shirins ständigem Getippe einfach nicht konzentrieren.
»Sam!«, sagte Bennett.
Sam schreckte auf: »Was ist los?«
»Träumst du?«
»Entschuldige, ich war in Gedanken. Was ist los?«
»Hör mal«, sagte Bennett mit seinem tiefen Bass, nun erheblich ruhiger, fast versöhnlich. »Ich denke, es ist Zeit, dass wir eine Pause machen. Meinst du nicht?«
»Gute Idee. Lass uns was essen gehen und danach weitermachen, ich brauche auch mal etwas frische Luft.«
Sam erhob sich von seinem Stuhl, aber Bennett machte keine Anstalten, ebenfalls aufzustehen.
»Sam«, sagte Bennett.
»Was ist?«, fragte Sam leicht gereizt. »Lass uns eine Pause machen.«
»So meine ich es nicht«, seufzte Bennett.
»Ach, nein?« Sam hatte keine Ahnung, was er meinen könnte.
»Sam. Shirin hat alle vier Opfer gefunden. Schon vor drei Tagen. Und es hat uns nichts genützt. Wir drehen uns seit Tagen im Kreis.«
»Ich weiß«, gab Sam zu. »Aber was sollen wir machen?«
»Eine Pause«, wiederholte sich Bennett. »Lassen wir den Fall ein paar Tage ruhen. Und dann machen wir weiter. Marin hat mir auch einen anderen Fall auf den Schreibt…«
»Du willst an einem anderen Fall arbeiten?«, fragte Sam erzürnt. »Du machst einen Knicks vor diesem Schmalspur-Machiavelli? Ich fasse es nicht …«
»Nein, Sam. Aber ich glaube, ein wenig Abstand würde uns guttun. Wir kommen doch so nicht weiter. Wir müssen auf den nächsten Brief warten.«
Immer wieder bis zum nächsten Brief. Sam wartete seit Wochen immer wieder auf den nächsten Brief, weil ihnen der Letzte zwar ein weiteres Puzzlestück geliefert hatte, aber sie das große Bild immer noch nicht erkennen konnten. Mittlerweile war es Oktober. Es wurde Winter. Seine Zeit nahte. Und ihre lief ab.
»Und wenn ich eine Idee hätte?«, fragte Sam leise in die Runde. Bennett starrte ihn an. Selbst Shirin hörte jetzt auf zu tippen.
»Ich denke, es ist an der Zeit, ihn aus der Reserve zu locken.«
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Bennett.
»Wir schicken ihm eine Antwort«, platzte Shirin in ihren Dialog.
»Ich wusste immer, dass Sie nicht von dieser Welt sind«, sagte Sam.
»Und an wen bitte schön sollen wir unseren Brief adressieren?«, fragte Bennett pragmatisch.
»Keine Ahnung«, sagte Sam. »Aber ich bin mir sicher, dass Shirin etwas dazu einfällt.«
Shirin zuckte mit den Schultern, und Bennett kratzte sich am Kinn. »Wie viele Briefe haben wir noch? Was glauben Sie?«
»Cory starb im Juli 2009«, antwortete Sam. »Er hat geschrieben, dass sie anderthalb Jahre nach ihrem Treffen gestorben ist, das hieße also Ende 2007 oder Anfang 2008. Keine Ahnung, wie viel er uns noch zu erzählen hat. Vielleicht zwei oder drei?«
»Aber«, warf Shirin ein, »wäre es nicht besser, unsere Antwort so nah wie möglich am letzten Brief zu platzieren, damit wir ihn am besten in einer emotionalen, unkontrollierten Phase erwischen?«
Wieder blieb Sam nichts anderes übrig, als zu nicken. Es war wirklich clever, das Mädchen aus Teheran. Vielleicht schon etwas zu clever.
»Es ist fast nicht möglich, das gegeneinander abzuwägen«, gab Sam zu. »Ein Glücksspiel.«
»Wenn mir denn überhaupt etwas einfällt, wie wir ihm die Botschaft übermitteln können«, sagte Shirin.
»Wir können das nicht alleine entscheiden«, warf Bennett ein.
Sam stöhnte. Er wusste genau, was das hieß.
»Nein, Sam, es geht nicht anders. Ich gehe damit zu Marin.«
»Ich weiß«, sagte Sam. »Und ich weiß auch, wie er sich entscheiden wird.«
Drei Stunden später saß Sam im Zug zurück nach New York. Michael Marin hatte entschieden, den nächsten Brief abzuwarten. Genau, wie Sam es vermutet hatte. Vielleicht war es nicht das Schlechteste, was ihnen hatte passieren können. Niemand konnte mit Sicherheit
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