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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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imstande, den Druck von seinem Schädel zu nehmen.
    Mit knappen Worten brachte er Maja auf den aktuellen Stand.
    Die junge Frau betrachtete ihn. Mit den Augen einer Fremden, die er seit tausend Jahren kannte. Sie hörte zu, und wieder glaubte er zu spüren, wie ihr Verstand die entscheidenden Verknüpfungen auf der Stelle erfasste, neue Muster anlegte im immer dichter werdenden Gewebe der Ermittlungen. Und wieder behielt sie sich ihr Urteil vor und verriet mit keinem Wimpernzucken, wie sie die neuen Informationen bewertete.
    Bis sie schließlich nickte. «Es ist
Ihr
Fall», sagte sie, und einen Moment lang schien ihr Blick an ihm vorbeizugehen, als würde sie diese Tatsache bedauern.
    Doch Jörg Albrecht hatte ohnehin bereits eine Entscheidung getroffen: Wenn all dies vorbei und der Täter – so Gott wollte – gestellt war, würde er ein Gespräch mit der jungen Frau führen.
    Wie er sie verstanden hatte, stand ihre Doktorarbeit kurz vor der Fertigstellung. Nach dem Tod des Professors würde es mit Sicherheit eine gewisse Verzögerung geben, doch das war in diesem Fall nur gut. Wie wollte Maja sich orientieren, als studierte Psychologin? Hatte sie bereits eine Entscheidung getroffen?
    In keinem Beruf lagen die Arbeitsplätze heute auf der Straße, und der Hauptkommissar konnte sich nicht vorstellen, dass es in der Rechtspsychologie anders war – selbst wenn man über unübersehbare Fähigkeiten verfügte wie diese junge Frau.
    Jörg Albrecht war nicht vollständig ohne Einfluss bei der Hamburger Polizei, selbst bei Isolde Lorentz nicht. Wenn es nun in Zukunft in der rechtspsychologischen Abteilung der Behörde jemanden geben würde, mit dem er gut und erfolgreich arbeiten konnte – war das nicht in aller Interesse?
    Es konnte ein Anfang sein.
    Aber davon würde er Maja jetzt noch nichts erzählen.
    «Es ist Ihr Fall», wiederholte die junge Frau. «Sie sind es, der mit Freiligrath gesprochen hat. Doch wenn Sie davon überzeugt sind, dass diese gemeinsame Sitzung mit Ihnen und Wolfram die einzige Möglichkeit ist, Ihren Fall zu lösen, glaube ich Ihnen. Wenn Ihnen das hilft, Ihnen das … lieber ist … dann kann ich es übernehmen, mit Bob Seidel zu reden.»
    Albrecht schluckte. «Das würden Sie wirklich tun?»
    Sie hob die Schultern. «Es geht auch um den Professor, nicht wahr?»
    «Natürlich.» Der Hauptkommissar nickte. «Natürlich.»
    Du solltest aufatmen, dachte er.
    Wäre Maja nicht gewesen, hätte er überhaupt keine Chance bekommen, mit Freiligrath zu sprechen. Er konnte sich Seidels Reaktion vorstellen, wenn er den Wunsch äußerte, eine Begegnung zwischen dem Traumfänger und einem seiner Opfer herbeizuführen. Der Chefarzt
konnte
nur ablehnen. Die schrecklichen seelischen Schäden, die eine solche Konfrontation auslösen könnte, waren völlig unkalkulierbar – und zwar bei dem armen, geschundenen Max Freiligrath.
    Wenn irgendjemand den Mediziner überzeugen konnte, dann war es Maja.
    «Danke», murmelte der Hauptkommissar. «Das macht es einfacher.»
    «Begeistert sehen Sie trotzdem nicht aus», bemerkte die junge Frau.
    Albrecht schüttelte den Kopf und legte die Hände nebeneinander auf den Tisch, die Handflächen nach oben.
    «Was soll ich sagen, Maja? Ich bekomme die Chance, diesen Fall zu lösen, und darüber, selbst wenn es nicht so aussieht … darüber
bin
ich froh. Aber um welchen Preis? Ein einziges Opfer, bei dem Freiligrath seine wissenschaftlichen Beobachtungen nicht zu Ende führen konnte. Diese Gelegenheit bekommt er erst jetzt», murmelte er. «Durch mich!»
    Die Wut kam völlig unvorbereitet. Er drosch mit der Faust auf den Tisch, dass die Kaffeelöffel auf den Untertassen klirrten.
    «Dabei sitzt er in einer
gottverfluchten Irrenanstalt

    Das Café war voll mit Menschen. Patienten, logischerweise, von den offenen Stationen, mit Besuchern und Angehörigen.
    Doch mit einem Mal war es mucksmäuschenstill.
    «’tschuldigung», murmelte Jörg Albrecht.
    Maja Werden nickte nachdenklich.
    «Also habe ich doch recht gehabt bei Ihnen», bemerkte sie. «Sie haben Angst.»
    Jörg Albrecht starrte in seine Kaffeetasse.
    «Wonach sieht es denn aus?»

[zur Inhaltsübersicht]
elf
    D en größten Horror hatte ich vor der Auffahrt an den Harburger Bergen gehabt.
    Doch wenn ich überlegte, dass der alte Blechkasten seit Gott weiß wann in einem Winkel zwischen Kleingartenkolonie und Hauptdeich gestanden hatte, war er gut in Schuss. Bei achtzig Stundenkilometern war allerdings Schluss,

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