Ich bin der letzte Jude
Geld und der Schmuck, die unter den um den nackten Körper gelegten Bandagen
oder bei den Frauen in der Vagina gefunden wurden.
Der Panzerschrank wurde einmal wöchentlich von Matias oder seinem
Stellvertreter Karol Spezinger 28 geleert. Am Tisch standen lange Bänke, auf denen wir eng aneinandergedrängt
unsere Arbeit verrichteten. Auf dem Tisch stellten wir Gefäße für die gezogenen
Zähne und die verschiedenen Zahninstrumente auf.
Unsere Arbeit bestand darin, das Metall vom Gips der Plomben und von
den echten Zähnen abzulösen. Wir mussten auch die Kronen von den Brücken
trennen, die künstlichen Zähne reinigen und sortieren. Mit einem kleinen
Lötkolben wurde der Kautschuk herausgeschmolzen. Die Dentisten waren in mehrere
Gruppen eingeteilt. Fünf Personen kümmerten sich um die falschen weißen Zähne,
ein paar beschäftigten sich mit den Metallzähnen, und zwei Spezialisten
sortierten das Metall: Weißgold, Gelbgold, Platin und gewöhnlichere Metalle.
Die Dentisten arbeiteten unter der Anleitung von Dr. Zimerman, der ein sehr
anständiger Mensch war. Die Deutschen suchten ihn mit besonderen Anliegen auf.
Bevor sie in Urlaub fuhren, kamen sie zu uns, um ein paar schöne Steine
auszusuchen oder um sich Fremdwährung zu besorgen.
In dem Schuppen war ein kleiner Ofen. In einer Wand waren zwei
kleine Fenster angebracht, durch die man auf den Platz vor dem Haus mit den
zehn großen Gaskammern sehen konnte. Wenn ein Transport abgefertigt war und die
Klappen der Gaskammern geöffnet wurden, klopften die Deutschen an das Fenster
und riefen: »Dentisten raus!« Je nach Größe des
Transports gingen eine oder mehrere Sechsergruppen raus und stellten sich mit
Zangen in der Hand an dem Weg auf, der von der Rampe, wo die Leichen aufgetürmt
waren, zu einem oder mehreren Massengräbern führte (als man anfing, die Leichen
zu verbrennen, wurden sie zum Scheiterhaufen 29 getragen).
Es ist wichtig anzumerken, dass zwei Vergasungsgebäude in
Betrieb waren, als ich im Totenlager zu arbeiten anfing. Ein größeres, in dem
sich zehn Gaskammern befanden, und in jede passten vierhundert Personen. Eine
Gaskammer maß sieben mal sieben Meter. Die Menschen wurden wie Sardinen hineingestopft.
Wenn eine Gaskammer voll war, wurde die nächste geöffnet und so weiter. Für die
kleineren Transporte wurde das ältere Gebäude mit den drei Gaskammern benutzt,
in die jeweils vierhundertfünfzig bis fünfhundert Personen passten. In diesem
Gebäude dauerte das Vergasen zwanzig Minuten, während es in dem neueren Gebäude
etwa eine Dreiviertelstunde dauerte.
An den Tagen, an denen die Herren durch das Vernichtungskommando in
Lublin 30 telefonisch unterrichtet wurden, dass am folgenden Tag kein Transport kommen
würde, sperrten die Mörder die Menschen aus reinem Sadismus in den Gaskammern
ein und ließen sie da, sodass sie aus Mangel an Luft den Erstickungstod
starben. Einmal sind sie achtundvierzig Stunden so darin geblieben, und als die
Klappen geöffnet wurden, röchelten einige und gaben noch Lebenszeichen von
sich.
Die meisten Menschen waren aufgedunsen und schwarz. Die SS -Männer oder die Ukrainer schauten durch die Luken, um
zu prüfen, ob alle tot waren und die Klappen geöffnet werden konnten.
Als ich schon etwa eine halbe Stunde an meinem
Arbeitsplatz war und zu begreifen begann, wie ich mit den Instrumenten umzugehen
hatte, wurde an das Fenster geklopft, wie ich es oben beschrieben habe. Unser
Gruppenchef sah, dass die Rampenkolonne zu arbeiten begann und die Klappen
öffnete. Er wählte sechs Männer aus, die sich am Weg der Leichenträger
aufstellen mussten. Ich war einer von ihnen.
Jeder von uns nimmt zwei Zangen mit. Wir gehen hinaus. In der
Schreinerei, wo Jankl Wiernik 31 arbeitet, greift jeder nach einem kleinen Tisch. In unserem Schuppen war wenig
Platz, deshalb wurden die Tische in der Schreinerei gestapelt. Wir schöpfen
alle ein bisschen Wasser aus dem Brunnen und laufen zur Arbeit.
Der Platz vor der Rampe ist die Hölle. Die ersten Dämpfe, die
austreten, wenn die Klappen geöffnet werden, sind gefährlich. Die stehenden
Leichen sind aneinandergepresst, die Arme und Beine ineinander verschlungen,
sodass die Rampenkolonne ihr Leben riskiert, bis es ihr endlich gelingt, die
ersten paar Dutzend Leichen wegzuschleppen. Danach löst sich der Haufen, und
die Leichen fallen von alleine heraus. Das Zusammenpressen kommt daher, dass
die Menschen sich aus höllischer Angst aneinanderklammern, wenn sie mit Gewalt
in
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